Page 12 - Integriertes Klimafolgenanpassungskonzept für die Stadt Essen
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Die Ergebnisse zur Hitzebetroffenheit in Essen sind relevant für die folgenden Handlungsfelder:
Umwelt: Landschafts- und Grünplanung, städtisches Grün (Trockenheit),
Fachstellungnahmen zur Bauleitplanung
Stadtplanung: Stadtentwicklung, Bauleitplanung
Gesundheit & Soziales: Hitzebetroffenheit von sensiblen Bevölkerungsgruppen und Einrich-
tungen, Brandgefahr und Löschwasserknappheit im Außenbereich (Ka-
tastrophenschutz)
Wirtschaft: Industrie- und Gewerbegebiete sind Hitze-Hotspots
2.2 Untersuchungen zum Kühlpotenzial
Ein wichtiges Ziel der Klimafolgenanpassung ist es, Wärmeinseleffekte in Städten zu verringern und so
den Hitzestress für die Bevölkerung zu minimieren. Die in windschwachen Strahlungsnächten auftre-
tenden Kaltluftströmungen und Flurwinde können bei entsprechender Anbindung an überhitzte Stadt-
teile zur Abschwächung von Hitzebelastungen während der Nachtstunden beitragen. Unter bestimm-
ten meteorologischen Bedingungen können sich nachts über rauigkeitsarmem Gelände sogenannte
Kaltluftabflüsse bilden. Da die über Frei- und Waldflächen gebildete Kaltluft schwerer ist als die Umge-
bungsluft folgt sie bodennah dem Geländegefälle. Flurwinde dagegen sind thermisch bedingte Aus-
gleichsströmungen zwischen Stadt und Umland. Aufgrund des Temperaturunterschieds zwischen Frei-
flächen und bebauten Bereichen bilden sich Luftdruckunterschiede aus, die durch Winde ausgeglichen
werden. Auch durch diese Windsysteme ist ein Transport von Kaltluft möglich.
Aufgrund der Bedeutung des Themas der Stadtbelüftung wurden zusätzlich zu den Karten der Klima-
analyse (RVR 2022) detaillierte Kaltluftberechnungen mit dem vom Deutschen Wetterdienst entwickel-
ten Kaltluftabflussmodell KLAM_21 (Sievers 2005) durchgeführt. KLAM_21 ist ein zweidimensionales,
mathematisch-physikalisches Simulationsmodell zur Berechnung von Kaltluftflüssen in orographisch
gegliedertem Gelände für Fragen der Standort-, Stadt- und Regionalplanung. KLAM_21 ist in der Lage,
Kaltluftbewegungen in ihrer Dynamik und zeitlichen Entwicklung flächendeckend wiederzugeben. Als
Ergebnis erhält man die flächenhafte Verteilung der Kaltlufthöhe und ihrer mittleren Fließgeschwin-
digkeit oder der Volumenströme zu beliebig abgreifbaren Simulationszeitpunkten. Die Produktionsrate
von Kaltluft hängt stark von der Landnutzung ab: Freilandflächen weisen die höchsten Kaltluftproduk-
tionsraten (zwischen 10 und 20 m³/m²/h) auf, für Waldflächen schwanken die Literaturangaben sehr
stark (zwischen 1 m³/m²/h in ebenem Gelände und 30 – 40 m³/m²/h am Hang). Dies wird im Modell be-
rücksichtigt. Die natürliche Kaltluftproduktion einer Fläche ist zudem von der Orographie bzw. dem
Relief sowie den thermischen Eigenschaften abhängig. Als bedeutendste Kaltluftproduktionsgebiete
gelten Freiflächen wie Wiesen und Äcker. Aber auch Wälder können bedeutsame Kaltluftproduktions-
flächen darstellen. Mit Zunahme der Hangneigung nimmt auch die Kaltluftproduktion zu, da diese per-
manent in Richtung Talsohle abfließen kann und sich in den tieferen Lagen ansammelt bzw. dem na-
türlichen Gefälle folgt. Durch diesen Abtransport der Kaltluft entsteht in den höheren Lagen ein Defi-
zit, welches durch erneute Kaltluftproduktion ausgeglichen wird. Somit wird bei entsprechenden Wit-
terungsbedingungen, das sind wolkenarme, windschwache Strahlungswetterlagen, in der Nacht konti-
nuierlich Kaltluft produziert. Entsprechend der Orographie können die einzelnen Kaltluftströme zusam-
menfließen oder auch aufgrund von Barrieren oder Geländevertiefungen in Kaltluftsenken teilweise
oder vollständig akkumulieren. Bebaute Gebiete verhalten sich bezüglich der Kaltluftproduktion neut-
ral bis kontraproduktiv (städtische Wärmeinsel). Hoch versiegelte Bereiche können durch deutliche Er-
wärmung der herangeführten Luftschichten zum Abbau von Kaltluft führen.
Für die Stadt Essen wurde ein 21 km x 28 km großes Modellgebiet mit einer horizontalen Rasterauflö-
sung von 10 m berechnet. Das Modell berechnet die zeitliche Entwicklung der Kaltluftströmung, aus-
gehend vom Ruhezustand (keine Strömung) bei gegebener zeitlich konstanter Kaltluftproduktionsrate.
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