Page 32 - Fotostadt Essen 2
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NETZWERK                                           (32)                                      FOTOSTADT ESSEN            NETZWERK                                            (33)                                     FOTOSTADT ESSEN
                                                      Eine bundesdeutsche Organisation, die foto-
               Das Bundesinstitut für Fotografie                                                                               Das Archiv eines künftigen Bundes-                        Ein Bundesinstitut für Fotografie in Essen auf dem
               sollte eine Schaltstelle sein für      grafische Archive und Nachlässe sichtet und                              instituts sollte ein diverses Bild der                    Areal der Zeche Zollverein zu realisieren, würde in
               Ausstellungshäuser, Stiftungen,        sich mit der kultur- und kunstgeschichtlichen                                                                                      vielerlei Hinsicht an die Tradition und Historie der
               Hochschulen – all die Orte, die sich                                                                            „deutschen“ Fotografie zeigen – denn                      Stadt als wichtiger Kompetenzort der Fotografie
               um fotografische Nachlässe be-         Bedeutung der Fotografie in Deutschland                                  jede Kanonisierung birgt ja Risiken.                      anknüpfen. Darüber hinaus wäre es für die Stadt,
               mühen und nicht zuletzt auch um        beschäftigt, ist unserer Ansicht nach lange über-                        Außerdem sollte das Institut neben dem                    die Region und auch auf Bundesebene eine wün-
               zeitgenössische Künstlerinnen und      fällig. In anderen Ländern gibt es vergleich-                                                                                      schenswert wichtige kulturpolitische und infra-
               Künstler der Gegenwart mit ihren                                                                                Bewahren auch eine Netzwerkfunktion                       strukturelle Entscheidung, ein Statement, Essen
               vielfältigen fotografischen Aus-       bare Institutionen schon länger oder sie sind                            haben. Vor allem aber wünsche ich mir,                    und dem Ruhrgebiet einen neuen Fokus zu geben
               drucksweisen. Für zahlreiche der       gerade im Entstehen. Auf lokaler Ebene gibt es                           dass das Projekt durch die Streitereien                   und einen Standort zu entwickeln, von dem auf
               bereits existierenden Initiativen im   kleinere Versuche in diese Richtung, die aber                                                                                      nationaler und internationaler Ebene Kompetenzen
               Osten, Westen, Süden und Norden                                                                                 um den Standort nicht zerstört wird,                      ausgehen, künstlerische und angewandte Fotopraxis
               der Republik wird es wichtige          nur regional orientiert sind und nicht die nötige                        wir – die Fotograf:innen – brauchen                       mit Kunstwissenschaft und demokratisch neutralen
               Impulse liefern können.                Wirkung entfalten können. Essen als Standort                             dieses Institut dringend!                                 Entscheidungen für die Archivierung und Erforschung
                                                      ist auch ein Statement für den Föderalismus,                                                                                       von Nachlässen verbunden werden könnte.
                       DR. CHRISTINA LEBER,
                       Geschäftsführerin und künstlerische   der essenziell für die Vielfalt der deutschen                         PROF. BEATE GÜTSCHOW,
                       Leiterin der Kunststiftung     Kunst- und Kulturszene der Nachkriegszeit                                    Künstlerin und Professorin                                   BARBARA HOFMANN-JOHNSON,
                       DZ BANK, Frankfurt am Main                                                                                  für Fotografie an der Kunsthochschule für Medien, Köln       Leiterin des Museums für Photographie, Braunschweig
                                                      gewesen ist und das bitte auch bleiben soll.


                                                                  MARKUS UND ANGELIKA HARTMANN,
       Ein Bundesinstitut für Fotografie wäre eine große          Hartmann Projects & Books, Stuttgart
       Chance für das Medium. Meiner Meinung nach                                                                              Fotografie ist viel mehr als eine künstlerische
       brauchen wir ein „Brain“, eine Plattform, einen                                                                         Praxis. Sie durchdringt alle Lebensbereiche

       zentralen Ort für Recherche, Forschung und                   Die Fotografie – das ist die Gesellschaft                                                                                                           Warum
       Vermittlung – und vor allem brauchen wir es als              der Bilder: kein einzelnes Bild, sondern                   und ist aus dem Alltag gar nicht fortzudenken.
       Archiv, besonders als Ort eines digitalen Archivs.           alle. Ein Bundesinstitut für Fotografie                    Seit mehr als 150 Jahren bestimmt Fotografie                                              ist das
       Denn wer pflegt die digitalen Nachlässe jetziger             müsste ein Ort sein, am dem sich eine
       und künftiger Generationen von Fotografinnen                                                                            unser Verhältnis zur Welt, und das wird gewiss
       und Fotografen? Wer besitzt dafür das technische             solche Gesellschaft der Bilder versammeln                  auch zukünftig so sein.                                                    Bundesinstitut
       und personelle Know-how? Eine wichtige Frage                 kann: künstlerische Fotografien neben
       wird aber noch zu klären sein: Wer sind die Gate-            Amateuraufnahmen; wissenschaftliche                        Ein zentrales Bundesinstitut für Fotografie in                                für Fotogra  e
       keeper dieses Brains?                                        Fotografien neben Reportagen und                           Essen sollte Wissen um dieses zentrale Medium
                                                                    Werbung; Vintageabzüge neben Foto-                                                                                                               wichtig?
              SVEN JOHNE, Künstler, Berlin                                                                                     bündeln und fördern – und zwar in seiner ganzen
                                                                    büchern und Datensätzen. Solch ein Ort
                                                                    würde das Verständnis dessen, was Fotografie               Breite: historisch, ästhetisch, mit Blick
                                                                    ist, erweitern – und die Möglichkeit eröffnen,             auf gesellschaftliche Funktionen und
       Um Fotografie aus allen Winkeln des Landes –                 mit den Bildern weiterzuarbeiten.                          nicht zuletzt die konservatorischen                    Fotografien sind Massengut und Kommunika-
       ob analog oder digital – zusammenzuführen;                          JAN WENZEL,                                         Herausforderungen.                                     tionsform, sie sind integraler Bestandteil unseres
       um im Verschwinden Begriffenes zu erhalten;                         Spector Books, Leipzig                                                                                     Alltags, viele Leseprozesse laufen mittlerweile
       um Forscher:innen aus aller Welt eine zentrale                                                                                 PROF. DR. JENS JÄGER,                           ohne menschliche Beteiligung, von Maschine
                                                                                                                                      Professor für Neuere Geschichte an der Universität zu Köln
       und umfassende Zugänglichkeit zu ermöglichen;                                                                                                                                  zu Maschine, ab. Das Medium ist geprägt von
       um Bilder aus Deutschland, ikonische und                                                                                                                                       massiven Veränderungsprozessen, die seine
       bisher ungesehene, besser in die Welt zu bringen.                   Archiv, Forschungsstätte, Konservierungs-           Ein Bundesinstitut für Fotografie bietet die Chance,   Instabilität vorantreiben und das fotografische
       Fotografien bilden die Zusammenhänge ab, in                         labor – ich wünsche mir ein in die Zukunft          das entscheidende Kompetenzzentrum zu werden,          Handeln nachhaltig beeinflussen. Statt „Was ist
                                                                                                                                                                                      Fotografie?“ muss man heute eher fragen: „Was
       denen wir gelebt haben und leben und lassen                         blickendes Institut, kein den Status quo            in dem vielfältige Expertise gebündelt, Forschung      wird Fotografie? – kulturell, sozial und politisch?“
       uns immer wieder neu auf uns und unsere                             reflektierendes Museum. Es ist die Chance           betrieben, fotografische Geschichte aufgearbeitet      Ein Bundesinstitut für Fotografie ist wichtig, weil
                                                                           des Bundesinstituts für Fotografie: keinen
                                                                                                                               und bedeutende Archive bewahrt werden können.
       Geschichte blicken. Fotografische Bilder zu                         Kanon zementieren, sondern die Fotografie           Insbesondere in einer Zeit, in der Bilder einerseits   es einen Ort braucht, der die Brücke schlägt
       bewahren und sie umfänglich besprechbar                             in ihrer Bandbreite als ein unteilbares visuel-     zunehmend das zentrale Medium der Kommunikation        zwischen den historischen Gebrauchsweisen
       zu machen hilft auch, uns selbst besser zu ver-                     les und materielles Erbe verstehen, in dem          darstellen und andererseits durch die rasante          und den aktuellen Kontexten und Praktiken der
                                                                                                                               Entwicklung von Technologien ihrer Herstellung und
                                                                           alle Gattungen und Formate gleich wichtig
       stehen. Deshalb ist ein Bundesinstitut nicht                        sind. Zugleich wird dieses neue Archiv              Verbreitung einem beschleunigten Wandel unterliegen,   Fotografie. Aktuell fehlt es weniger an einem
       nur wichtig, sondern vor allem Sinn stiftend.                       unseres fotografischen Gedächtnisses ein            bedarf es einer umfassenden Infrastruktur, um diese    Museum als an einer Plattform, die die unter-
                                                                                                                                                                                      schiedlichen Diskurse der Fotografie, ihre Erfor-
                                                                           Spiegel der pluralen Landschaft der Foto-           Prozesse zu begleiten.                                 schung und Vermittlung bündelt und vorantreibt.
                                                                           stadt Essen sein.
              MAREN LÜBBKE-TIDOW, Publizistin, Berlin                                                                                 ANNE-MARIE BECKMANN,
                                                                           DR. COSTANZA CARAFFA,                                      Direktorin der Deutsche Börse Photography Foundation,       PROF. DR. KAREN FROMM,
                                                                           Leiterin der Photothek, Kunsthistorisches Institut         Frankfurt am Main                                      Professorin für Fotojournalismus und Dokumentarfotografie
                                                                           in Florenz – Max-Planck-Institut                                                                                  an der Hochschule Hannover
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