Page 31 - Fotostadt Essen 2
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NETZWERK  (30)  FOTOSTADT ESSEN  NETZWERK                 (31)                                      FOTOSTADT ESSEN

 Meine Meinung ist: Hauptsache, es   Die Fotografie hat sich schon immer gewandelt,   Eine Bundesinstitution hätte die Möglichkeit,
 aber die digitalen Umwälzungen haben grund-
 kommt überhaupt. Ich mache mir Sorgen,   legende Veränderungen mit sich gebracht.   Zahlreiche Sammlungen, Archive   die Fotografie in ganzer Breite zu sammeln,
 dass das Institut über die Standortfrage   Die aktuelle Formenvielfalt von fotografischen   und Museen haben die Bedeutung   im Unterschied zu bereits existierenden Insti-
 gerade zerredet wird. Die Aufarbeitung   Werken stellt Museen und Archive vor große    der Fotografie als wichtigstes bild-  tutionen. Die Erweiterungen dort zielen meist
                                                              darauf, ganz spezifische Sammlungen an
            gebendes Verfahren der Moderne er-
 Herausforderungen: Wie bewahrt man was –
 von fotografischen Nachlässen und ihre   in kleinem sowie in großem Umfang?   kannt. Was fehlt, ist ein Ort in Deutsch-  die Gegenwart anschlussfähig zu machen.
 langfristige Archivierung würden jedoch   Ein Bundesinstitut muss regionale Einrichtungen   land, an dem sich die oft disparaten   Ich wünsche mir, dass sich ein Bundesinstitut
 den Grundstein für ein kollektives Bilder-  vernetzen und beraten, um die Erhaltung und    Diskurse bündeln lassen. Essen ist ein   frei machen würde von einer übermächtigen
 vor allem die Nutzung dieses kulturellen Erbes,
 gedächtnis in Deutschland legen.   in all seinen Formen, bundesweit voranzutreiben.  idealer Standort dafür mit vielen Freiräu-  Rolle der künstlerischen Fotografie, die zwar
 Zugleich könnte dieses reiche visuelle      MARTIN JÜRGENS, M. S.,   men. Hier kann ein Fotoinstitut aus-  maßgeblich zur Institutionalisierung des
 Erbe deutschlandweit anhand von       Fotorestaurator am Rijksmuseum Amsterdam   gehend von bestehenden Einrichtun-  Mediums beigetragen hat, aber auch Einfluss
 Wanderausstellungen einer interessierten   gen geformt werden und es können   darauf nimmt, was wir seit 50 Jahren in den
            sich dabei – das ist entscheidend –
                                                              Gewerbemuseen, den Stadtmuseen und den
 Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.   künstlerische und wissenschaftliche   Spezialmuseen sammeln. Vielleicht wäre
 Da wird die Standortfrage eigentlich zur   In einer Zeit, in der die Aussa-  Kompetenzen verbinden.  es an der Zeit, den Sichtweisen der künstle-
 Nebensache. Hier wartet ein fotografischer   gekraft von Bildern fragwürdig   rischen Fotografie und der Fotografie als
 Schatz darauf, geborgen zu werden –   geworden ist, ist ein bundes-     PROF. DR. HUBERT LOCHER,    historisches Dokument eine der Alltagsfoto-
 packen wir es an! Und zwar jetzt.  weit und international vernetztes      Direktor des Deutschen Dokumentationszentrums    grafie als Kommunikationsmittel zur Seite
 Institut, das die Fotografie in      für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg    zu stellen.
    STEPHAN ERFURT,   ihren historischen und aktuel-       und Professor für Geschichte und Theorie der
                   Bildmedien an der Philipps-Universität Marburg
    Vorstandsvorsitzender C/O Berlin Foundation  len Kontext stellt, von größter      DR. ESTHER RUELFS,
 Bedeutung. Es stärkt unsere                                         Sammlungsleiterin für Fotografie und Neue Medien am Museum
                                                                     für Kunst und Gewerbe Hamburg
 Bildkompetenz, indem es durch
 Unabhängig von der Standortfrage sollte das   die Erhaltung, Pflege, Erschlie-
 neue Institut ein Ort sein, an dem Archive lang-  ßung und Vermittlung von Foto-  Wer „Fotografie“ sagt, bezieht sich auf zahlreiche und fragile Bilder. Die Sicherung kunst- und kultur-
        geschichtlich wichtiger Nachlässe können die Museen in der Regel aus verschiedenen Gründen aber
 grafien und den dazugehörigen
 fristig aufgearbeitet werden und somit zugäng-  Dokumenten die technisch-  nicht leisten. Allein schon deshalb bedarf es einer Institution, welche relevantes Material kompetent
 lich und sichtbar werden. Die Dokumentarfoto-  ästhetischen Veränderungen   auswählt, es wissenschaftlich und restauratorisch bearbeitet, Lagerplatz bereitstellt und den Bestand
        der Öffentlichkeit zugänglich macht – nicht nur, aber auch auf digitalem Weg. Darüber hinaus machen
 grafie muss ihren Platz darin bekommen. Dabei   und die individuellen, sozialen   Forschungen zur Konservierung und Bildgeschichte ein Archiv erst innovativ und fruchtbar!
 liegt es mir besonders am Herzen, dass auch die   und politischen Verwendungs-  So stelle ich mir einen Fotostandort Deutschland vor!   Warum

 weisen des Mediums kritisch
 Dokumentarfotografie der DDR wahrgenommen   analysiert und öffentlich zur        DR. STEFAN GRONERT,
               Kurator für Fotografie und Medien am Sprengel Museum, Hannover
 wird; das heißt, dass sie erforscht, bewahrt und    Debatte stellt.                              ist das
 gesehen wird. Ich befürchte andernfalls, dass      PROF. DR. KATHARINA SYKORA,
 durch eine in den Institutionen auf westdeutsche        emeritierte Professorin für Kunstgeschichte  Bis heute ist die Fotografie von nahezu   Bundesinstitut
 an der Hochschule für Bildende Künste,
 Positionen festgelegte Sichtweise dazu führt, dass      Braunschweig  jeder Generation neu gedacht worden.   für Fotogra  e
 kostbare Fotografie aus dem Osten verloren geht.  Was ein geplantes Bundesinstitut für       wichtig?

        Fotografie – gerne in Essen – anbelangt,
    PROF. UTE MAHLER,
    Fotografin, Ostkreuz Berlin  plädiere ich nachdrücklich dafür, den
        Blick auf das Medium für zukünftigen                         Die Fotoszene in Deutschland ist bunt und vielfältig.

 Die Wand des Museums ist noch ein recht junger Ort, wenn es darum geht, Fotografie zu   Generationen nicht zu verengen. Wie   Ein Bundesinstitut für Fotografie kann und sollte für
                                                                     Vernetzung und Vermittlung sorgen, kann und sollte
 betrachten. Mit der Buchseite hingegen verhält es sich ganz anders. Als Fotobuchforscher-  schrieben noch einmal Katja Stuke und   im Konzert mit den anderen Einrichtungen für die
 in ist es mir wichtig, dass das Fotobuch als eigenständiges künstlerisches Medium mehr als   Oliver Sieber 2013 in ihrem „ANT!FOTO   Bewahrung von Nachlässen und Archiven und deren
 in anderen fotografischen Sammlungen präsent ist, da es nicht nur auf diesem Gebiet sehr   MANIFESTO“ (und griffen dabei ein Zitat   Restaurierung sorgen, kann und sollte die wichtige
 innovativ ist und immer schon war. Außerdem ist es wichtig, ein „Living Archive“ zu schaffen,   von Timm Rautert auf)? „Photography    Stimme für die Fotografie sein. Dabei muss es die
 das sich neben der Wahrung und Entwicklung des visuellen Gedächtnisses auch Fragen    breite Vielfalt des Mediums Fotografie im Auge
 der „Visual Literacy“ widmet. Inzwischen ist die Metapher der visuellen Kultur so alltäglich,   is too good to be regarded as art only!“   behalten: von der Gebrauchsfotografie bis zu künst-
 dass es an der Zeit ist, sie ernst zu nehmen. Wenn wir unsere Informationen durch Bilder   Nichts wäre wichtiger.   lerischen Arbeiten, von den frühesten analogen
 erhalten, sollten wir lernen, sie zu „lesen“. Bildung – egal auf welcher Stufe – darf nicht   Unikaten und Abzügen bis zu den digitalen Formen
 ausschließlich textbasiert sein.      PROF. DR. CHRISTOPH SCHADEN,    der Gegenwart und Zukunft.
               Professor für Bildwissenschaft
    DR. ANJA SCHÜRMANN,      an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm     DR. LUDGER DERENTHAL,
    wissenschaftliche Mitarbeiterin                                          Leiter Sammlung Fotografie, Kunstbibliothek,
    am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen                               Staatliche Museen zu Berlin
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