Page 66 - Essener Stadtmagazin_4_2025
P. 66
ZU HAUSE IN ESSEN
Bei Hilfseinsätzen, wie hier in Afghanistan, bringen Familien ihre kranken Kinder zu Claudia Peppmüller und ihren Kollegen.
Dann wird über Behandlungsmöglichkeiten entschieden.
„Hallo, wie heißt du?“, steht ein gutgelaun- rufen alle Kinder freudestrahlend und umarmen sie, soweit sie es
ter, kleiner Junge mit ausgestreckter Hand können. Manche präsentieren stolz ihre Fortschritte und rechnen
vor mir und blickt mir in die Augen. „Nico“, vor, wann sie nach Hause dürfen. „Keine Schmerzen mehr?“, fragt
antworte ich überrascht über den freund- Claudia. „Nein.“ Das ist Claudias Job und wer sie zwei Minuten er-
lichen Empfang. „Hallo Nico, ich bin Fa- lebt hat, weiß, dass es auch ihre Berufung ist. Eigentlich lebt die
rid!“, stellt er sich vor. Um ihn herum spie- Essenerin auf der Margarethenhöhe. „Um genau zu sein, wohne
len und toben lauter Kinder zwischen zwei ich gegenüber, ich glaube, das ist offiziell noch Holsterhausen“, ist
und vielleicht sieben Jahren, wie in einem sie sich nicht ganz sicher. Ganz egal, denn ihr Leben findet wahl-
Kindergarten. Aber ihnen fehlen Gliedma- weise im „Friedensdorf International“ in Oberhausen statt oder
ßen, ganze Teile ihrer Gesichter, doch da- unterwegs in Krisengebieten, wie Afghanistan, Angola oder Kam-
von lassen sie sich nicht beirren. „Was hast bodscha. Neben der Öffentlichkeitsarbeit ist sie im Friedensdorf
du?“, frage ich Farid, der körperlich unver- gemeinsam mit einer Kollegin federführend dafür verantwortlich,
sehrt scheint. „Mein Bauch ist kaputt und zu Hilfseinsätzen zu fliegen. Diese unterteilen sich in Projekt-
ich kann schlecht Pipi halten“, sagt er so arbeit vor Ort und sogenannte „Kindersichtungen“. „Dieses Jahr war
selbstverständlich, als hätte ich gefragt, was heftig“, erzählt sie, „mit unserem kommenden Einsatz im November
es zu Essen gab. Ob es ihm jetzt wieder gut waren wir allein viermal in Afghanistan, dazu im Libanon, in Syrien,
geht, frage ich. „Noch nicht gut, aber schon Kurdistan und Tadschikistan.“ Nach Afghanistan fliegt sie, um neue
besser“, sagt er, „aber seins ist schlimmer.“ Kinder zu holen. Gemeinsam mit der Partnerorganisation „Afgha-
Er deutet auf seinen Kumpel Gul Ahmad, nischer Roter Halbmond“, ihren Kolleginnen und Kollegen sowie je
der mit deformierten Beinen im Rollstuhl einem deutschen und afghanischen Arzt werden dort Kinder aus-
sitzt. Auch er ist bestens gelaunt, aber sein gewählt und auf die Zeit in Deutschland vorbereitet. Gleichzeitig
Deutsch ist noch nicht so gut, wie Farids. bringt Claudia die genesenen Kinder zurück zu ihren Eltern. „Alle
„Meine Knochen sind so“, sagt er und hält haben eine Rückführungsgarantie“, erklärt sie. „Wir arbeiten vor Ort
die Hände schräg versetzt nebeneinander. mehrere Tage mit den Familien, bevor die Eltern uns ihre Kinder
Dann kommt eine Frau herein. „Claudia!“, anvertrauen.“ Drei Tage lang werden Verbände gewechselt, Fotos
| 66 |

