Page 65 - Essener Stadtmagazin_3_2025
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ZU HAUSE IN ESSEN




          vier bis fünfmal in Israel.“ Ob ihm der Tod   vorrätig sei. „Die Restaurants sind geöffnet,
          dabei bewusst ist? „Klar! Du musst halt Risi-  die Schulen sind jetzt unterirdisch. Aber
          koabschätzung betreiben, aber mir ist noch   wenn nicht, wirst du ja verrückt“, sinniert er,
          nie was Schlimmes passiert, man gerät halt   „deswegen sterben da auch so viele Leute.“
          immer mal unter Beschuss, aber die gefähr-  Auf Jans rechtem Unterarm fällt ein großes,
          lichste Situation hatte ich hier auf der A59   kunstvolles Tattoo auf, ein Totenschädel
          als mir mit Tempo 140 ein Reifen geplatzt   mit einer Schreibfeder davor. Das hat er
          ist.“ Auf die unvermeidliche Frage, warum er   sich zu „10 Jahren Kriegsberichterstattung“
          das macht, kommt die Antwort blitzschnell   stechen lassen. Es sollte eigentlich nur ein
          und aus dem Bauch: „Weil man da kristall-  kleines Memento mori werden, gestochen
          klar sieht, was Menschsein ist. Es gibt un-  von Eugene, einem aus der Ukraine Ge-
          glaublich viel Böses und Menschen, die un-  flüchteten, der jetzt hier in Essen Tätowierer
          glaublich viel Gutes für andere machen.“ In   ist. Eugene meinte, das Bild müsse größer.
          all den schlimmen Situationen, in denen er   Und die Bilder in Jans Kopf? Er zuckt lässig
          war, hat er immer ganz viele gute Menschen   mit einer Schulter, „es gibt Begegnungen,
          getroffen, sagt er. Überhaupt seien die Men-  die einem mehr im Gedächtnis bleiben als
          schen in Kriegsgebieten sehr offen. „Denen   andere, aber ich träume noch nicht davon.“
          liegt ganz viel daran, dass ihre Geschichten   Die Frage, wie lange er das weitermachen
          erzählt  werden,  dass  sie  nicht  vergessen   will, habe ich kaum gestellt, da kommt die
          werden.“ Verständlich. „Außerdem ist es   Antwort  des  53-Jährigen wie aus  der  Pis-
          völlig verrückt, wie sehr Menschen im Krieg   tole geschossen: „Solange ich es körper-
          versuchen, die Normalität aufrechtzuerhal-  lich kann!“ Und dann blitzen seine Augen
          ten. Selbst in Cherson, wo die Russen jeden   wie die eines Kindes vor Weihnachten. Als
          Tag reinschießen und es jeden Tag Tote   Nächstes möchte er gern nach Myanmar.
          gibt, sitzen die Menschen im Café“, erzählt   „Ich habe Kontakt zu einer NGO, die dort
          er kopfschüttelnd. In einer Pizzeria dort hat   medizinische Unterstützung auch für die
          sich  ein  Kellner  kürzlich  bei  Jan  entschul-  Rebellen leistet“, strahlt er, „die wollen mich   Jan Jessen lebt in Essen, in direkter
          digt, weil die Speisekarte nicht vollständig   mit in den Dschungel nehmen.“  Nachbarschaft zum Rathaus in Kray.




    In ganz Essen







     Fr – Sa  19 bis 3 Uhr   ·   So – Do 19 bis 24 Uhr





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