Page 57 - Fotostadt Essen 2
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NETZWERK  (56)  FOTOSTADT ESSEN  NETZWERK                 (57)                                      FOTOSTADT ESSEN

                                            Dieses Jahr feierte die Fotostiftung  zu reagieren. Getragen  von der Leiden-
                                            Schweiz ihr 50-jähriges Jubiläum. Heute  schaft und dem Engagement für die Sa-
                                            gilt sie als tragende Säule der Schwei-  che, hat man auch in existenziell schwie-
                                            zer Fotografie wie auch der nationalen   rigen Situationen einen  Weg gefunden,
                                            Fotopolitik. Was sind die Gründe für   weiterzumachen. Auf  den Wandel  des
                                            diese eindrückliche Entwicklung?    Mediums wie auch der Kulturpolitik und
                                                Zunächst hat die frühe Gründung  der Institutionenlandschaft kann man so
                                            1971 der Stiftung einen gewissen  Vor-  beweglicher reagieren, als wenn man von
        „Ich halte das fotografische        sprung  verschafft. In Europa und selbst  Verwaltungsentscheiden abhängig ist.
        Bild nicht a priori für etwas       in den USA gab es kaum unabhängige,
        Wertvolles.                         spezifisch auf die Fotografie ausgerichtete  Dieser Aspekt in der Geschichte der
                                            Institutionen. Neben einem Netzwerk aus  Fotostiftung ist charakteristisch für die
        … Wir haben deswegen                engagierten und kundigen Persönlich-  Schweizer Kulturpolitik. Sie greift vor-
        so viele Fotos auf unseren          keiten hat es der zunächst sehr kleinen  zugsweise erfolgversprechende Initia-
        Smartphones, weil das               Institution  geholfen, dass  sie  von  An-  tiven aus der Gesellschaft auf und
                                            fang an den Anspruch auf Erhaltung des   unterstützt sie. Was sind die negati-
        Löschen für uns selt-               „Patrimoine“, des nationalen Kulturguts,  ven Seiten dieses auf Eigeninitiative
        samerweise immer ein                formuliert hat. Das war damals eine völlig  gegründeten Modells?
                                            unbesetzte Nische. Damit konnte man     Die Fotostiftung ist eine permanente
        Problem ist.“ PETER PFRUNDER        sofort nationale Kulturpolitik machen.  Baustelle. Dieses „Überleben“ mit beschei-
                                            Der Bund hat rasch gemerkt, dass die  denen Ressourcen hält zwar beweglich,
                                            Fotostiftung eine Lücke füllen könnte. Es  hat aber auch problematische und ermü-
                                            half auch, dass die Präsidenten der Stif-  dende Seiten. So haben wir erst seit die-
                                            tung, wie der Publizist Manuel Gasser so-  sem Jahr Bundesmittel in einem Umfang,
                                            wie die Schriftsteller Hugo Loetscher und  die uns eine gewisse Stabilität und Un-
                                            Nicolas Bouvier, schweizweit profilierte  abhängigkeit geben. Aber wir sind immer
                                            Persönlichkeiten  waren, die die Kredit-  noch  weit entfernt  von einem Budget,
                                            würdigkeit der Fotostiftung bestätigten.  mit dem wir unseren Auftrag als nationale
                                                                                Gedächtnisinstitution  in einem umfas-
                                            Die Idee der Fotostiftung erscheint  senden Sinn  wahrnehmen könnten.  Wir
                                            bestechend einfach: Ihre Pfeiler sind    tun, was wir können, aber es genügt nicht.
                                            das Archiv und die Ausstellungstätig-
                                            keit. Wie kam es zu dieser Kombination?   In  der  Geschichte  der  Fotostiftung
                                                Die  Öffentlichkeitsarbeit  und  Be-  fallen die diversen Partnerschaften auf,
 FOTOS: © PHILIPP OTTENDORF
                                            wusstseinsbildung für die Fotografie  etwa mit dem Kunsthaus Zürich,  mit
                                              fanden noch  vor der eigentlichen Stif-    der ETH  (Eidgenössische Technische
                                            tungsgründung statt – mit der Ausstellung  Hochschule) oder mit dem Fotomuseum
 „WIR HABEN                                 „The Concerned Photographer“. Diese  Winterthur. Was sind die Potenziale –

                                            Vorleistung  hat  die  Stiftung  auf  einen  und wo liegen die Grenzen?
                                            Schlag legitimiert. Mit der bahnbrechen-
                                                                                    Nicht wenige der Partnerschaften ent-
      EIN MAGISCHES                         den Ausstellung „Fotografie in der Schweiz  standen zunächst aus Notlagen heraus, als
                                            1840 bis heute“ hat man 1974 im Kunst-
                                                                                Folge der Baustellenlogik. Rückblickend
                                            haus Zürich nachgelegt. Die Ausstellungen   betrachtet stellt sich in solchen Partner-
    VERHÄLTNIS                              hatten  Sogwirkung,  sie  haben das  Profil  schaften früher oder später fast immer
                                            abgesteckt und das Programm definiert:  die Frage des Gleichgewichts. Man muss
                                            fotografische  Archive zu sammeln und    manchmal die eigene Institution auch
                                            daraus Ausstellungen zu generieren.
                                                                                schützen, indem man ein „Worst-Case“-
    ZU BILDERN“                             Im Rückblick könnte man die Foto-  Partnerschaft mitdenkt.
                                                                                Szenario, das heißt das Scheitern der
                                            stiftung als kooperatives, generatio-
                                            nenübergreifendes „Bottom-up“-Modell    Welche Rolle spielte der Boom der Foto-
                                            beschreiben. Persönlichkeiten, die sich  grafie für die Geschichte der Fotostiftung?
                                            für die Fotografie engagierten, nament-  Zum Erfolg der Stiftung hat er ganz
                                            lich zunächst Rosellina Burri-Bischof  sicher beigetragen. Denn die  Anerken-
 Als die Fotostiftung Schweiz vor 50 Jahren gegründet wurde, war dies eine    und Walter Binder, haben sie getragen.  nung des Mediums als bedeutender
 Pioniertat. Direktor Dr. Peter Pfrunder über Erfahrungen und die Rezeptur für Erfolge.   Manchmal stand die Stiftung allerdings  Zweig des Kulturschaffens hat genau in
 Taugt das eidgenössische Modell gar als Vorbild für ein deutsches    auch am Rand des Scheiterns. Was hat  dieser Phase stattgefunden, und mit ihr
                                                                                ist auch die Anerkennung unserer Institu-
                                            dann den Erfolg begründet?
 Fotografie-Bundesinstitut?                     Pragmatismus. Will heißen: ein stän-  tion gewachsen. Anders als damals muss
                                            diges Balancieren zwischen den Möglich-  man heute niemandem mehr erklären, wa-
                                            keiten und den Realitäten. Ein  Vorteil  rum man Fotografie sammelt. Gerade im
                                            war die Organisationsform als private  Zuge der Digitalisierung hat sich auch ein
                                            Stiftung. Sie hat es immer wieder erlaubt,  Bewusstsein für die Dringlichkeit dieser
 Interview: Barbara Basting                 flexibel auf Krisen und Notsituationen  musealen Aufgabe herauskristallisiert.
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