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IM PORTRÄT (14) FOTOSTADT ESSEN
Von der wer sind diese menschen,
die entscheiden
Kunst,
loszulassen
Der kosmopolitische Fotokünstler
PAUL HUTCHINSON erzählt in seinen
Arbeiten vom urbanen Leben in einer
globalisierten Welt.
Authentisch, sensibel, poetisch.
Für dieses Magazin begab er sich auf
Spurensuche, das Bekannte im Alle Fotos:
Unbekannten zu finden, das Große im © PAUL HUTCHINSON
Kleinen – auf der Zeche Zollverein. Mit freundlicher Genehmigung von:
GALERIE RUSSI KLENNER, BERLIN;
Hier sein exklusives Portfolio. SIES + HÖKE, DÜSSELDORF;
KNUST KUNZ, MÜNCHEN
Text: Anna Brohm
„Am Anfang weiß ich gar nicht, wo die Reise hingeht“, sagt Für Hutchinson beginnt die Arbeit oft erst nach dem Fotogra-
Paul Hutchinson im Interview, als wir ihn an einem verregneten fieren. Das Auswählen aus der Menge der Bilder und das Platzieren
Vormittag auf der Zeche Zollverein treffen. ebendieser, in Ausstellungen oder Publikationen, sind essenzielle
Am Tag zuvor hat er bereits das Gelände erkundet: die Teile seiner künstlerischen Praxis. Das Verfassen von Text passiert
Folkwang Universität der Künste, das SANAA-Gebäude und die unabhängig vom Fotografieren. Die Worte geben seinen Bildern
Kokerei. An Tag zwei geht es in die keramische Werkstatt von eine noch persönlichere Stimme und erweitern deren Wahrneh-
Young-Jae Lee, zu PACT und ins Ruhr Museum. mung. „Text ist das Fieseste und Schönste zugleich, du kannst ihn
Paul Hutchinson, 1987 in Berlin geboren, in Schöneberg nicht faken“, sagt er im Interview. Überhaupt spielt Authentizität
aufgewachsen, lebt heute wieder in der Hauptstadt. Seine letzte eine wichtige Rolle für Hutchinsons Arbeitsweise. Nach sich
Publikation „Stadt für alle“ (2020) zeigt das neue Berlin, die selbst suchen und sich dennoch nicht in den Mittelpunkt stellen.
Veränderungen und Kontraste, die sich dort in das Stadtbild „Man sieht so schnell den Kunstwillen in Bildern. Nicht Sachen
einschreiben. Die Bilder erzählen von der Immobilienblase, von zu wollen, sondern sie passieren zu lassen. Nicht zu forcieren. Ob
Ungleichheiten, von Straßenkultur und Baustellen, Wohnhäu- beim Schreiben oder Fotografieren – ich probiere loszulassen.“
sern sowie ihren Überbleibseln und zeigen Hutchinsons eigenen Das ist seine Herausforderung.
Blick auf Entwicklungen, die sich „wie ein Angriff auf meine Hutchinson macht Bilder vom urbanen Leben in unserer
Heimat anfühlen“. globalisierten Welt. Er ist Teil der Szene oder der Stadt, die er
Zollverein ist für ihn neues Terrain. Turnschuhe, Herbstblät- fotografiert, und gleichzeitig ihr aufmerksamer Beobachter:
ter, Oberflächen, jemand ist unterwegs in hohem Gras – die exklu- Sneaker, U-Bahn, Gesichter in Momentaufnahmen, schillern-
sive Bildstrecke, die dort als künstlerischer Beitrag für dieses Heft de Oberflächen, städtische Grünflächen. In seiner Arbeit hat
entstanden ist, zeigt das Beiläufige: Details, Momentaufnahmen, Hutchinson über die Jahre eine Art persönliches Referenzsys-
das Bekannte im Unbekannten. „Mir ist es wichtig, in meiner tem etabliert: viele kleine Bausteine, die sich zu einem größeren
Arbeit Dinge zu meinen eigenen zu machen. Wo in diesem gan- Ganzen zusammensetzen und das Große im Kleinen ausmachen.
zen Komplex verorte ich mich selbst? Wo kann ich etwas zeigen, Seine Bilder transportieren Intimität sowie Fragilität und haben
was vielleicht noch nicht gezeigt worden ist?“ In den Fotografien trotzdem – oder gerade deswegen – einen politischen Blick auf wer sollen die sein
ist der ikonische Gebäudekomplex Zollverein kaum sichtbar; sie die Welt. „Ich hatte immer Lust rauszugehen, Lust, die Welt zu
konzentrieren sich auf die Menschen, ihr Tun und die Spuren, die sehen; ich habe einen gesunden Körper und das Privileg eines
sie überall hinterlassen. deutschen Passes.“ Wer weiß schon, wo die Reise hingeht?