Page 30 - Magazin Fotostadt
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AUSSTELLEN                                                (30)                                            FOTOSTADT ESSEN             AUSSTELLEN                                                (31)                                            FOTOSTADT ESSEN





























      Selbst mit Kamera gedreht (um 0° 180°), 1972
      aus: Bildanalytische Photographie
      Silbergelatineabzug, 20,4 × 26,9 cm
      Staatliche Kunstsammlung, Dresden

















                                                                                                                                                   Liane Schneider, 33 Jahre, Ground-Hostess, Deutsche Lufthansa, 1974    Rolf Deininghaus & Maxmillian Oesterling, Dortmund, 1994
                                                                                                                                                   aus: Deutsche in Uniform, C-Print, 28,7 × 22 cm, Leihgabe des Künstlers    aus: Eigenes Leben,  Silbergelatineabzug, 57 × 44,2 cm


















                                               Tokaido Express, Tokio, 1970, Silbergelatineabzug, 45,5 × 59 cm, Museum Folkwang, Essen


      Bildanalytische Fotografie                                   Japan                                                                    Deutsche in Uniform                                          Eigenes Leben
      In meinen Untersuchungen zur „Bildanalytischen Fotografie“ Anfang   Meine Reise 1970 nach Japan war eine eigentümliche Erfahrung, kaum   Otto Steinert hat uns oft mit August Sander und dessen Porträtwerk   Der Gestalter Otl Aicher hatte die Idee, für eine kulturell engagierte
      der 1970er Jahre habe ich die apparativen Bedingungen des Mediums   jemand konnte Englisch, man hat gar nichts verstanden und bewegte   „Menschen des 20. Jahrhunderts“ in den Ohren gelegen. Das war eine   Versicherungsgesellschaft Ende der 1980er Jahre eine Ausstellung und ein
      befragt, hier zum Beispiel: Was passiert, wenn man die Kamera dreht?   sich wie in einer Blase. Ich wusste und ahnte und hoffte, dort die neue,   sehr große Referenz. Er hatte seit Anfang der 1960er Jahre eine Studien-  Buch zur „Neuen Gesellschaft“ zu machen, und brachte dazu verschie-
      Die Welt steht auf dem Kopf. Der Film dreht sich aber nicht, da die   moderne Welt zu sehen. Einerseits auf der Weltausstellung in Osaka,    sammlung von Fotografien aufgebaut, so dass wir Studierende tatsäch -  dene Akteure zusammen. Der Soziologe Ulrich Beck war ganz nah an
      Schrift auf der Perforierung des analogen Films vorbelichtet ist. An   in Anklängen aber auch in den Hotels, wo damals in jedem Zimmer   lich Originale anschauen konnten. Was wir sahen, war eine untergegangene   diesen Ideen dran. Gemeinsam mit dem Philosophen und Wittgenstein-
      Bildfolgen interessiert mich, dass man beides zeigen kann, die künst-  schon Fernsehgeräte installiert waren. Auch die Bahn war sicher und   Welt. Bei der Serie „Deutsche in Uniform“ war mir wichtig, die aktuelle   Spezialisten Wilhelm Vossenkuhl sowie dem Autor Ulf Erdmann Ziegler
      lerische Haltung und das Ergebnis. Das überhöht schöne und formal   auf die Minute pünktlich. Die Japaner waren in gewisser Weise deut-  Welt zu zeigen. Dabei wollte ich fair vorgehen und nicht selbst auswählen.   machten wir uns an die fast zweijährige Arbeit. Beck hatte den Begriff der
      abgesicherte Bild, wie es Otto Steinert im Sinn hatte, eines das durch   scher als die Deutschen! Plötzlich öffnete sich dieser Blick. Besser als in   Also habe ich Institutionen wie die Post, die Kirche, die Bundeswehr,   „Bastelbiografie“ eingebracht: Es gibt homosexuelle Paare, alleinerziehende
      formale Strenge und Schönheit überzeugt, daran war mir nicht gelegen.   dieser Aufnahme konnten die Tradition der japanischen Kultur und    oder den Karnevalsverein angeschrieben, mir jemanden zu schicken. Am   Frauen wie Männer, Brüche in Lebensläufen, völlig diverse Biografien.
      Ich wollte eher wissen, was sie überhaupt ist, die Fotografie.  das Versprechen der Moderne nicht aufeinanderprallen.                 Ende stand immer jemand vor der Tür, mit dem ich dann gearbeitet   Ziegler und ich sind zu den Leuten gegangen, die wir in der Regel nicht
                                                                                                                                            habe. Das Blau und Gelb der Lufthansa war ein starker Auftritt auf dem   kannten. Man begegnete sich ohne vorgefasste Meinung, konnte zuhören
                                                                                                                                            Weg in die größere Eleganz. Die Fluggesellschaft war 1974 sehr fort-  und dann handeln. Die Leute wussten beim Fotografieren aber auch, was
                                                                                                                                            schrittlich, ein global operierender und weltoffener Konzern.  sie vorab gesagt haben. Das spielte eine ganz wichtige Rolle.
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