Page 17 - Magazin Fotostadt
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SAMMELN [16] FOTOSTADT ESSEN SAMMELN [17] FOTOSTADT ESSEN
sellschaftskörper. Das sich im Foto personifi- sonders an U- und S-Bahnhöfen im Großraum Ad personam
zierende Ich ist weder mit sich selbst identisch Berlin gezeigt werden konnte. Am 16. November 1941 in Prag
noch mit jemand völlig anderem. Schneiden Sehen Sie Essen als eine Fotostadt? geboren. 1963–1964 Studium an der
Hochschule für Bildende Künste
Bilder ins Geschehen ein, sind sie dann Ge- Absolut. Weltweit gab es bis zu meiner ers- in Hamburg. 1964–1967 Studium
schehen, geschehen sie oder bilden sie ab? ten Ausstellung nichts Derartiges. an der Kunstakademie Düsseldorf
Das Museum Folkwang Essen hat in diesem Auf die gedankliche Komponente der bilden- in der Klasse von Teo Otto. 1967
Jahr Ihre Arbeit „Deutschland wird deut- den Kunst wollen und können Sie nicht ver- Wechsel in die Klasse von Joseph
scher“ angekauft. Wie ist dieses Werk ent- zichten. In dem Zusammenhang ist häufig Beuys. 1972 Abschluss als Beuys-
Meisterschülerin. In den 1970er
standen? von der Beuys’schen Dimension Ihres Wer- Jahren lehrte sie in den USA und
Es ist zweifellos mein in der Öffentlichkeit kes die Rede: Nicht zufällig und nicht um- Kanada. 1992–2007 Professur an
umstrittenstes Bild, ein Skandalon. Es ging mir sonst war Joseph Beuys an der Düsseldorfer der Hochschule der Künste Berlin.
wie stets darum, ein Foto mit bestimmten In- Kunstakademie Ihr Lehrer. 1995–2007 mit Unterbrechungen
halten zu schaffen. Impulse zum Nachdenken Zu meiner Zeit an der Akademie war er der Lehrauftrag an der Internationalen
Sommerakademie in Salzburg.
zu setzen. Der Titel bezog sich auf die Situation einzige Lehrende, der mich interessierte – mit 2002 und 2004 Lehrauftrag an der
nach der Wiedervereinigung. Es hat sich etwas dem Erweiterten Kunstbegriff, der „Sozialen Academy of Fine Arts in Hangzhou/
addiert, quantitativ zugenommen, aber was Skulptur“. Beuys hat wie kein anderer die Aka- China. Seit 2010 Lehrauftrag an der
hat sich qualitativ entwickelt? Natürlich bezog demie geöffnet. Graduiertenschule der Universität
sich der Titel auch auf die Aus- und Inländer- Können Sie sich an die allererste Begegnung der Künste Berlin. Ihre Arbeiten sind
in renommierten Sammlungen
feindlichkeit in Deutschland. Ich habe dafür mit Beuys erinnern? vertreten, u. a. im Museum of Modern
ein klassisches Motiv, den Messerwurf-Act im 1965 sah ich seine Aktion in der Galerie Art, New York, im San Francisco
Schaustellergewerbe mit meinem verschleier- Schmela „Wie man einem toten Hasen die Bil- Museum of Modern Art, im Stedelijk
ten Konterfei wiederverwendet. Die geplante der erklärt“. Das hat mich sehr berührt. Museum, Amsterdam, in der
öffentliche Präsentation in 18 Städten wurde Sie werden im November 80. Was sind heute Nationalgalerie, Berlin, im Museum
Folkwang, Essen, und in der Kunst-
zensiert, heftig abgelehnt, nicht realisiert. 1993 die Themen, die Sie umtreiben, empören und sammlung NRW, Düsseldorf.
übernahmen in Berlin die Kunst-Werke mit mit „Röntgenblick“ auf künstlerische Weise
Klaus Biesenbach an der Spitze das Projekt, reflektieren?
und die Plakat-Aktion war an 500 Werbeflä- Das virale Feindbild. Was ist imstande, Ihr Markenzeichen
chen zu sehen. Bei einer Wiederauflage 30 Jah- jedes menschliche Wesen in so eine Angst vor Sie geht nie aus dem Haus ohne:
re später im Mai 2021 war das Bild an 90 Orten einem Virus zu versetzen? Mich beschäftigt die Leica-Kamera, knallrot ge-
schminkte Lippen, schwarze Brille
in Berlin sichtbar. Diesmal allerdings musste Frage, was Immunität im weitesten Sinne ist mit dunklen Gläsern, fingerlose
das Logo der Kunst-Werke als Veranstalter und und wie wir damit umgehen. Meine neuesten Handschuhe. Das rötliche Haar
ein Verweis auf meine Website auf das Plakat, Arbeiten wie „Gefechtspause II“ sind eine Re- ist streng nach hinten gekämmt.
um „Deutschland wird deutscher“ als Kunst aktion auf das, was uns derzeit bewegt. Stets schwarz gekleidet trägt sie oft
kenntlich zu machen, damit es überhaupt, be- Mäntel im Uniform-Stil.
Katharina Sieverding
GEFECHTSPAUSE II, 2020
Digitaldruck auf Vließrückenpapier
295 × 500 cm
KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021
FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021
Bild links:
Katharina Sieverding
Deutschland wird deutscher XLI-92, 1992
Fünffarben-Offsetdruck
252 × 351 cm, Plakatierung in Berlin
vom 30. April bis 12. Mai 1993
KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021
FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021
„Das virale Feindbild ist ein Thema, das mich heute umtreibt.
Was ist imstande, jedes menschliche Wesen in so eine Angst vor einem Virus
zu versetzen? Mich beschäftigt die Frage, was Immunität
im weitesten Sinne ist, und wie wir damit umgehen. Meine neuesten Arbeiten wie
Gefechtspause II sind eine Reaktion auf das, was uns derzeit bewegt.“