Page 37 - Essener Stadtmagazin_3_2025
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KULTUR




          Seine Werke sind in den großen Häusern dieser Welt zu bestaunen, im MoMA, der Alber-
          tina, der Royal Academy of Arts. Mit seinen Kurzfilmen nahm er mehrfach an der Biennale
          in Venedig und der Documenta in Kassel
          teil. Er lehrte in Harvard und trägt ein Eh-
          rendoktorat der Schönen Künste der Uni-
          versität Yale. An großen Namen mangelt
          es im Lebenswerk von William Kentridge
          nicht. 1955 wird er mit litauisch-jüdischen
          Wurzeln in  Johannesburg  geboren. Seine
          Eltern Sydney und Felicia Kentridge ver-
          treten in den 1950er und 60er Jahren als
          Rechtsanwälte politische Angeklagte zur
          Zeit der Apartheid, darunter auch Nelson
          Mandela. Mit 16 Jahren wird William Ken-
          tridge Mitglied einer Theaterkompanie,
          wird dort Schauspieler, Regisseur, Büh-
          nenbildner und Plakatdesigner. Er studiert
          Politik, Afrikanistik und schließlich Kunst
          in Johannesburg. Anschließend absolviert
          er ein sechsmonatiges Schauspielstudium
          in Paris. In den 1980er Jahren produziert er
          eine Reihe von animierten Kurzfilmen, ba-
          sierend auf großformatigen, handgezeich-
          neten Bildern, die er mit Kohle, Graphitstift
          oder Pastellfarben erstellt. Jede Bewegung
          setzt sich aus unzähligen Einzelbildern mit
          minimalen Veränderungen zusammen. Ex-
          pressiv morphen sich Formen und Gestal-
          ten von einer Szene zur nächsten, erzählen
          Geschichten, geprägt von politischem Ge-
          schehen und persönlichen Erfahrungen.
          1989 gelingt ihm mit dem Animationsfilm „Johannesburg, 2nd Greatest City after Paris“   William Kentridge, Tightrope of Our Hope,
          der internationale Durchbruch. Seine filmischen Arbeiten bilden den Ausgangspunkt zu   2023, Zeichenkohle, Buntstift, Digitaldruck,
          seinem ganzen Schaffen, das Arbeiten der Bildenden Kunst ebenso umfasst wie Inszenie-  Collage und Tusche auf Papier, Durchmes-
          rungen für die Opernbühne.                                           ser: 124 cm
          Während die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Kentridges wiederkehrende Be-
          schäftigung mit Prozessionen als Abbild menschlicher Gemeinschaft in den Mittelpunkt
          ihrer Ausstellung rücken sowie den Aspekt gesellschaftlicher Utopien und ihrer brüchi-
          gen Heilsversprechen, präsentiert das Museum Folkwang Kentridges Hauptwerke von den
          1970er Jahren bis heute. Dabei zeigt die Ausstellung in Essen Filme und Multimedia-Ar-
          beiten, Zeichnungen und Grafiken sowie Skulpturen und Tapisserien. Inhaltlich legt das
          Museum Folkwang einen Schwerpunkt auf Kunstwerke, die sich thematisch mit der wech-
          selvollen Geschichte des Strukturwandels im Ruhrgebiet verknüpfen lassen.
                                            Auch Johannesburg hat Aufstieg und Niedergang der Montanindustrie durchlebt, was Wil-
                                            liam Kentridge in Filmen seiner berühmten „Drawings for Projection“-Reihe verarbeitet
                                            hat. Werke wie „The Mine“ erscheinen hier in völlig neuem Kontext und zeigen mitunter
                                            beeindruckend bekannte Bilder, die zur Reflexion über vergleichbare Entwicklungen in
                                            unserer Region einladen.
                                            Eine ebenso wichtige Rolle zu einer etwas weniger bekannten regionalen Parallele spielen
                                            Kentridges Werke, die sich mit dem Kolonialismus befassen. Mit seiner Arbeit „Installa-
                                            tion Black Box / Chambre noir“ von 2005 erinnert er an den Völkermord, den deutsche
                                            Truppen 1904 an den Herero im damaligen Deutsch-Südwestafrika verübten. Koloniales
                                            Gedankengut wurde bis 1914 auch von Essen aus propagiert, etwa durch Publikationen
          Listen to the Echo                des hier ansässigen G. D. Baedeker Verlags. Ein weiteres Thema der Ausstellung im Mu-
          William Kentridge in Essen und Dresden  seum Folkwang ist das Künstlerstudio als kreatives, kooperatives Labor.
          Museum Folkwang:                  Die Ausstellung „Listen to the Echo“, die in Essen im Museum Folkwang und in Dresden
          04. September 2025 – 18. Januar 2026  an gleich drei Orten, dem Albertinum, dem Kupferstich-Kabinett und der Puppentheater-
          Dresden: ab 06. September         sammlung, präsentiert wird, entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler selbst.
          museum-folkwang.de                Es erscheint ein gemeinsamer Katalog im Steidl Verlag.




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