Page 36 - Essener Stadtmagazin_2_2025
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KULTUR
auch sie kommt aus Essen und absolviert
gerade ein Schülerpraktikum in der Masken-
werkstatt. „Anna ist seit November hier“, be-
richtet Hanna und stellt die nächste Mitar-
beiterin vor. „Wir sind sehr froh, dass wir sie
haben, sie hat nämlich schon viel interna-
tional und auch beim Film gearbeitet.“ Anna
spricht noch nicht so viel Deutsch, versteht
uns aber und spricht in einem Mix aus Eng-
lisch und Deutsch mit ihren Kolleginnen.
Sie ist vor drei Jahren aus der Ukraine nach
Deutschland gekommen, erklärt sie uns.
Jetzt arbeitet sie als Elternzeitvertretung in
der Maskenwerkstatt. Janine, die ursprüng-
lich aus Witten stammt, ist jetzt ihre zweite
Spielzeit im Team. Sie hat ihre Ausbildung
in Krefeld am Theater gemacht und arbeitet
gerade an einer Perücke für die kommende
Premiere von „Sakrileg“. Ab April wird das
Stück in der Regie von Saar Magal auf der
Grillo-Bühne aufgeführt. Janine hatte Glück,
sie musste die Perücke nicht ganz von vorn
beginnen, denn der Schauspieler, der sie
tragen wird, hat zufällig die gleiche Kopf-
größe wie ein anderer Schauspieler, dem
diese Perücke ursprünglich gehörte. Jetzt
muss Janine sie „nur“ umarbeiten. Ihre Kol-
legin Janina knüpft derweil eine ganz neue
Perücke. „Eine komplette Arbeitswoche
dauert das schon“, sagt Hanna, „bis so eine
Perücke fertig geknüpft ist, und dann folgt
Janine konnte für „Sakrileg“ eine Perücke aus dem Fundus verwenden und umarbeiten.
Ein düsteres Treppenhaus aus vergangener men, die in unmittelbarer Nähe der Bühne
Zeit führt weit in den hinteren Teil des Gril- sind. Dementsprechend arbeitet das Team
lo-Theaters. Eine unscheinbare Tür führt in um Chefmaskenbildnerin Hanna Bettges
einen großen, schlauchförmigen Raum ir- auch zeitversetzt, denn je nach Inszenierung
gendwo an der Seite des Hirschlandplatzes. müssen ein bis sechs Mitarbeiterinnen eine
Durch die breite Fensterfront flutet die Son- Vorstellung betreuen. Erstaunlich an diesem
ne hinein. Unter den Fenstern ist eine lange Kollegium ist, dass fast alle aus der Nähe
Arbeitsfläche, an der wie Perlen auf einer kommen. Vivien hat gerade erst angefan-
Schnur sieben gut gelaunte Frauen sitzen. gen. Sie ist Auszubildende im ersten Lehr-
Vor ihnen liegen Utensilien wie Lockenwick- jahr, was nicht heißt, dass sie frisch von der
ler, Zeichnungen, Gipsköpfe mit Perücken Schule kommt. „Der Beruf der Maskenbild-
drauf, Haare und Nähzeug. Auf der gegen- nerin ist so komplex“, erklärt Hanna, „dass
überliegenden Seite stehen offene Regale man eigentlich mehr Fähigkeiten erlernen
voller Kopfabdrücke. Jedes Ensemble-Mit- muss als in eine Ausbildung passen.“ Daher
glied des Theaters hat hier ein Gipsmodell musste man früher auch zuvor eine Friseur-
seines Kopfes stehen, mit eingezeichneter lehre machen. „Das ist heute nicht mehr so“,
Haarlinie. Auf ihnen kann passgenau für je- erläutert Hanna. „Ich hab vorher an der FH
den eine Perücke erstellt werden. Das Regal in Bochum ein Studium zum Make Up Artist
daneben verhangen. Von einer Stoffbahn und Hairdesigner absolviert“, berichtet Vi-
schaut David Beckham von einem alten Re- vien. Die 23-Jährige kommt aus Essen und
quisit ihnen bei der Arbeit über die Schul- hat sich an sieben Häusern in NRW bewor-
ter. Insgesamt zehn Kolleginnen arbeiten ben. Dass sie den Job in der Heimatstadt be-
hier in der Maskenwerkstatt. Nicht alle sind kommen hat, war Glück. Zu Übungszwecken
heute Morgen hier, denn in ihrem Job gibt es modelliert sie gerade an einem Baby-Yoda, Die Haare sitzen perfekt bei der
Werkstatt- und Abenddienste. Abends und der ausnahmsweise nicht für eine Auffüh- Uraufführung von „Sakrileg“.
bei Proben arbeiten sie in den Maskenräu- rung gebraucht wird. Neben ihr sitzt Kyra,
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