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The Zone of Interest
                                                                                                              KULTUR












          Big Brother in der Nazi-Villa: Der britische Regisseur Jonathan Glazer gewährt den Zuschauern einen
          ungewöhnlichen Einblick in das „ganz normale“ Leben der Familie von Rudolf Höß, dem Lagerkom-
          mandanten des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Sandra Hüller und Christian Friedel sor-
          gen dabei für Gänsehautmomente der anderen Art. Am Original-Schauplatz und komplett auf Deutsch
          gedreht, holte der Film bereits den „Großen Preis der Jury“ in Cannes und geht nun ins Oscar-Rennen.



          Dieser Film ist in jeder Hinsicht außer-                             Rudolf Höß gar menschlich zu  nden.
          gewöhnlich. Die  ematik nicht gera-                                  Sandra Hüller und Christian Friedel
          de einladend und doch kann man sich                                  leisten dabei in ihren Rollen als Nazi-
          seiner nicht entziehen. Die Faszination                              Ehepaar Unglaubliches und wissen die-
          und Banalität des Bösen entwickeln                                   ses aufkeimende Gefühl immer gleich
          im Laufe des Films einen Sog und eine                                wieder zu ersticken. Die Gratwanderung
          Spannung, die bemerkenswert sind.                                    zwischen Menschen und Monstern, die
          „Interessengebiet“ („Zone of Interest“)                              die beiden in ihrem Schauspiel o en-
          – so nannten die Nationalsozialisten                                 baren, verleiht dem Ganzen eine unge-
          das Gelände nahe der polnischen Stadt                                heure Glaubwürdigkeit. Die unendliche
          Oświęcim, auf dem sie später das größte                              Absurdität  von  alltäglichen  Momenten
          und bekannteste aller Konzentrations-                                vor der Kulisse der Massenvernichtung
          lager errichteten. Für die unfassbare                                sorgt dabei dafür, dass es im Kino so
          E zienz in puncto Vernichtung sorgte                                 still ist, als hätte das gesamte Publikum
          Lagerkommandant Rudolf Höß, der mit                                  vergessen zu atmen. Zuweilen wird das
          seiner Familie in einer Villa mit Garten                             Geschehen so grotesk, dass man unwei-
          direkt nebenan wohnte – getrennt vom                                 gerlich lachen muss. Christian Friedel
          unbegrei ichen Grauen einzig durch   Christian Friedel beeindruckt als Ausch-  („Das weiße Band“, „Babylon Berlin“)
          eine Mauer. Mit Frau und fünf Kindern   witz-Lagerkommandant Rudolf Höß  changiert seinen Rudolf Höß gekonnt
          lebte er hier ein privilegiertes Leben. Die                          zwischen liebendem Vater, martialisch
          Absurdität  des  Alltags  im  Schatten  der  Zal („Ida“, „Cold War“) in der Ferne sa-  aussehendem Nazi, naturverbundenem
          Schornsteine einer abartigen Vernich-  ßen und alles auf Monitoren verfolgten.  Tierfreund und brutalem Vernichter. Sei-
          tungsanlage stellt den Inhalt des Films.  Diese besondere Herangehensweise  ne zuweilen  stelige Stimme steht dabei
          Regisseur Jonathan Glazer, bekannt für  führt zu unterschiedlichen E ekten.  in krassem Kontrast zu seiner bedroh-
          „Sexy  Beast“,  „Birth“  und  „Under  the  Einerseits erzeugt sie durch den voyeu-  lich uniformierten Erscheinung. Gera-
          Skin“, schrieb das Drehbuch lose basie-  ristischen Charakter  eine  unglaubliche  de noch spielt er mit dem Baby und im
          rend auf dem gleichnamigen Roman  Nähe und doch bleiben Kamera und Zu-  nächsten Moment diskutiert er über die
          von Martin Amis. Und obwohl es sich  schauer immer ein Stück weit weg vom  E zienz von Verbrennungsöfen. Doch
          um eine US-britisch-polnische Produk-  Geschehen. Das Publikum hat weniger  die Schizophrenie seiner Figur wird
          tion handelt, inszenierte er seine Ge-  das Gefühl, eine Geschichte erzählt zu  noch in den Schatten gestellt: Es ist San-
          schichte authentisch auf Deutsch. Dabei  bekommen, als vielmehr zufällig Zeuge  dra  Hüllers  Hedwig,  die  treu  sorgende
          entschied er sich für eine ganz besonde-  des alltäglichen Lebens der Familie Höß  Ehefrau, Mutter und Nationalsozialistin,
          re Machart. Zunächst wurde am Origi-  zu werden. Der Film wechselt dabei  die der Zuschauer auch lange nach Fil-
          nalschauplatz in Auschwitz gedreht, wo  nie die Seite der Mauer. Leben und Tod
          auch das tatsächliche Höß-Haus noch  hinter der Mauer  nden einzig und al-
          steht. Aus technischen Gründen und  lein als andauernde Soundkulisse statt,
          weil das gesamte Areal heute UNESCO-  während die Familie im Haus zu Abend
          Welterbe ist, ließ Glazer  das Haus nur  isst oder im Garten in großer Gesell-
          wenig entfernt von der Original-Villa  schaft feiert, die Großmutter zu Besuch
 Sandra Hüller brilliert als   als Kulisse aufbauen. Dabei wurden Ka-  kommt oder die Kinder zu Bett gebracht
 Hedwig Höß. In Holly-  meras zwischen den Wänden installiert,  werden. Das Leben in der Familie eines
 wood gerade zurecht   wie in einem „Big-Brother-Haus“. So  Massenvernichters ist in weiten Teilen
 heiß gehandelt, steht sie   entstand ein Filmset, das für die Schau-  beeindruckend banal und die Erfah-
 als Ensemblemitglied des   spieler als solches nicht wahrnehmbar  rung, diesem beizuwohnen wird immer
 „Schauspielhaus Bochum“   war.  In  unterschiedlichen Zimmern  dann besonders per de, wenn man als
 regelmäßig im Revier auf   spielten diese zum Teil parallel, wäh-  Zuschauer hin und wieder kurzzeitig der   Von der Küche der Familie Höß aus blickt
 der Bühne.  rend Glazer und Kameramann Lukasz  Versuchung näherkommt, Hedwig und   man auf Garten und Konzentrationslager



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