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Altenessen als „Zentrum des Nordens“ mit multikultureller Identität



          Roman, 23, Altenessen Nord, nach Bachelor in TZ auf der Suche nach dem nächsten Schritt


          ▪ Bezahlbarer Wohnraum
            Findet eigene Wohnung und schätzt die zentrale Lage.
          ▪ Anregendes Umfeld
            Vielfalt, Lebendigkeit, kein Bullerbü, sondern echtes
            und teils hartes Leben, in dem man sich behaupten muss.
                                                                                 Es gibt hier
          ▪ Identitätsstiftend
            Fühlt sich angesprochen vom Malocher-Image des Ruhrgebiets   geringere Bildung, aber den
            und der Ambition, etwas aus seinem Leben zu machen.      Willen, durch einfache Arbeit
                                                                  etwas zu schaffen. Daraus entsteht
                                                                  Spontanität, Flexibilität, eine Haltung
                                                                     zur Ehrlichkeit und man will sich
                                                                             gegenseitig helfen.







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          Abstiegsängste.“ Altenessen hat viele Vortei-  Multi-Kulti-Bezirk bringt also enorme Vor-  nähren den „Altenessen-Dream“, beeindru-
          le. Wohnraum ist günstig, die Verkehrsan-  teile mit sich, die gerade junge Menschen   ckende Aufstiege werden gesehen und stär-
          bindung ausgezeichnet, und es gibt eine gute   schätzen. Sie wollen dem sozialen Druck,   ken den Gemeinschaftsstolz, so wurde
          Infrastruktur mit Nahversorgung, Schulen,   den sie in wohlhabenderen Stadtteilen ver-  von einer jungen Türkin gesprochen, die
          Freizeit – und Grünflächen. Dadurch wird   muten, nicht ausgesetzt sein. Man ist stolz   das beste Abitur in Essen machte und jetzt
          der Bezirk zu einem Durchgangsort. Viele   darauf, sich durchkämpfen zu müssen und   Zahnärztin ist – und damit Vorbild für viele
          Menschen kommen nach Altenessen, um   das Schicksal selbst in die Hand zu neh-  junge Frauen mit Migrationshintergund.
          etwas zu starten, verweilen eine Zeit und   men. Gerade für die jungen Menschen ist
          ziehen dann weiter. So bleibt der Stadtteil   Migration ein ganz normales Thema. Eine   Gesellschaftliche Abgründe
          extrem jung und lebendig. Das ist seit der   Schülerin fasst es wie folgt zusammen: „Wir   bedrohen den
          Besiedlung mit Beginn der Zechen im Esse-  sind  nicht  alle  kulturell  gleich.  Wir  haben   „Altenessen-Dream“
          ner Norden ungebrochen. Nach Altenessen   Osteuropäer, Nord- und Westafrikaner,
          kam man schon damals, um zu arbeiten,   Asiaten. Es gibt so viele verschiedene Leute,   Doch die Chancen sind derzeit akut bedroht
          bessere Zukunftschancen zu bekommen   aber wir werden alle in einen Topf geworfen   in Altenessen. Viele Menschen halten sich
          und sich etwas aufzubauen. Es ist ein „Ar-  durch unseren ausländischen Hintergrund.   offensichtlich nicht an die bisher geltenden
          beiterbezirk“, das schweißt zusammen und   Es ist ein total lebendiger Stadtteil. Ich bin   Regeln, die dazu führten, dass sich Alten-
          macht Altenessen zu etwas wie einem „ech-  auf  einer  Deutschen  Schule  aufgewachsen   essen gut entwickeln könnte. Der „Nieder-
          ten Stück Ruhrgebiet.“ Was die Altenessene-  und fühle mich integriert. Ich vergesse aber   gang“ geht einher mit einer Vermüllung, die
          rinnen und -essener dem „reichen“ Essener   meinen Background nicht. Ich spreche viele   sichtbar wird. Es wird von wilden Müllkip-
          Süden nicht zuschreiben. Man grenzt sich   verschiedene Sprachen mit meinen Nach-  pen gesprochen, von Menschen, die einfach
          ab und verweist auf die Vorteile Altenes-  barn und meiner Familie: Tschi, Englisch,   ihren Dreck auf die Straße werfen, anstatt
          sens, nämlich des „befreiten Aufspielens“.   Spanisch, Französisch und Deutsch.“ Allein   ihn zum Recyclinghof zu bringen. Auch vie-
          In Altenessen könne man so sein, wie man   der Sprachschatz der jungen Frau offen-  le Häuser würden nicht gepflegt. Und Dreck
          ist, sagte eine Bürgerin im Interview. „Hier   bart, welche unentdeckten Chancen in Al-  ziehe Dreck nach. Oberbürgermeister Tho-
          kann ich Ich sein“, sagte eine andere. Der   tenessen schlummern. Diese Hintergründe   mas Kufen bestätigt das Problem: „Wir sind


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