Page 45 - Essener Stadtmagazin_4_2025
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KULTUR
Choreograph Armen Hakobyan in der werdenden Kulis-
se für den „Glöckner von Notre-Dame“.
Teenager bis zu Mittfünfzigern. Ein einzel-
ner Herr ist im Zuschauerraum verblieben.
„Ich wurde mit hierhergeschleppt“, flüstert
er mir zu, „aber das ist ja echt unterhaltsam.“
Seine Begleitung trainiert derweil an der
Stange. Diese wird im zweiten Teil der Ses-
sion weggeräumt. Jetzt wird die Diagonal-
pirouette geübt. In zwei Gruppen aufgeteilt
tanzt die Compagnie aus Amateuren nun
hinter Armen, wie im Formationstanz. Fast
schade, dass nur Gregor aus Velbert und
ich im Publikum sitzen, denn es sieht schon
recht beeindruckend aus für eine Gruppe
von Menschen, die erst vor einer Stunde
zusammengewürfelt wurde. „Habt keine
Angst“, lacht Armen, „tiefer als der Boden
könnt ihr nicht fallen.“ Am Ende strahlen
sie alle übers ganze Gesicht. „Die Art und
Weise, wie Armen unterrichtet, ist einfach
phänomenal“, sagt Kathrin aus Bochum, als
sie mit rotem Kopf von der Bühne kommt.
Auch Susanne ist begeistert. Sie ist extra aus
Velbert angereist. Sie alle machen schon
viele Jahre Ballett als Hobby. Und viele von
ihnen sind Wiederholungstäter. „Das ist mein
viertes Mal hier“, berichtet Lea, die jedes
Mal aus Krefeld herkommt und schon für
die ganze Spielzeit durchgebucht hat. „Das
Anleitung an die Stange gehen. Teilnahme- nau, wieviel Takte er zu welcher Bewegung Beste neben dem superschönen Training
bedingungen gibt es nicht. „Vorkenntnisse spielen muss.“ Heute sind ausschließlich ist, vorher die Probe zu erleben“, sagt sie,
sind von Vorteil, aber keine Voraussetzung“ Frauen beim Training, das ist nicht immer „das macht so viel aus, zu sehen, dass auch
erklärt Marek, während Armen mit dem Un- der Fall. Armen rutscht zwischen ihnen hin- den Profis Fehler passieren.“ Und Armen,
terricht beginnt. „Aber wie du siehst, haben durch, korrigiert Fußstellungen oder Arm- den treffe ich in der Kantine wieder. „Je-
die meisten Erfahrung.“ Und das sehe ich. haltungen und kommentiert dabei immer der kann tanzen“, erklärt er mir, „egal, was
Alle, die vorhin noch im Publikum saßen, witzig und charmant, was zu beachten ist. für einen Körper er hat.“ Warum er seinen
stehen nun in Ballettkleidung an den Stan- „Die wahre Kunst ist, nicht zu zeigen, wie Samstagnachmittag hier mit den Amateuren
gen, während Armen offensichtlich bekann- schwer es ist“, erklärt er, „ihr habt die Probe verbringt? Die Antwort kommt wie aus der
te Positionen ansagt. Wenn die Abfolge sitzt, gesehen, es ist sauschwer und trotzdem lä- Pistole geschossen: „Weil ich es liebe!“
kommen mehr hinzu. „Wir bauen aufein- cheln sie.“ Armens Credo beim Training ist:
ander auf“, erklärt er, „immer ein bisschen „Den Körper lieben, aber nicht schonen.“ Open Classes
mehr hinzu.“ Dazu spielt der Ballett-Pianist Während er bei deutschen Formulierungen Probenbesuch und Ballett-Training
Igor Savoskin auf dem Flügel die jeweils pas- strauchelt und Wörter aus diversen Spra- zum Mittanzen
sende Musik, von Moon River bis zum Ra- chen ausleiht, um zu verdeutlichen, was er 5x pro Spielzeit
detzky-Marsch. „Wir verstehen uns blind“, meint, wird gemeinsam viel gelacht, aber jeweils samstags um 13 Uhr
erklärt Armen, „der Maestro weiß immer ge- auch geschwitzt. Dabei reicht das Alter vom theater-essen.de
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