Page 31 - Essen_Magazin_2023_04
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KULTUR


          Gerade ist die lang erwartete Net ix-Ver-  schichte  des  Vaters,  der  auf  Zollverein
           lmung von „Alles Licht, das wir nicht  arbeitete, ist eine der vielen, die es nicht
          sehen“ gestartet. Mit viel Aufwand und  bis  ins  Drehbuch  gescha t  haben.  Es
          großen internationalen Namen vor und  musste also keine Zeche Zollverein in
          hinter der Kamera präsentiert der Strea-  Budapest nachgebaut werden. Generell
          ming-Dienst die Geschichte um Werner  und auch verständlicherweise ist viel
          und Marie-Laure nun bildgewaltig und  aus  dem  Buch  unterwegs  verloren  ge-
          überraschend. Vorweg sei gespoilert,  gangen. Einen Roman zu visualisieren,
          weder Essen noch Paris wurden an Ori-  der zu weiten Teilen die Wahrnehmung
          ginalschauplätzen gedreht, dieser Luxus  eines blinden Mädchens wiedergibt,
          wurde nur St. Malo zuteil. Die Städte an  musste eine Herausforderung sein. So
          Seine und Ruhr entstanden in Buda-  kommen neue Figuren und Handlungs-
          pest. Der britische Drehbuchautor Ste-  elemente hinzu. Das wiederum macht
          ven Knight (Peaky Blinders) hat Doerrs  die Mini-Serie auch für Kenner des Bu-
          530-Seiten-Roman auf vier einstündige  ches überraschend und neu, und gibt
          Episoden verkürzt. Unter der Regie des  denen, die die Serie gesehen haben, die
          Kanadiers Shawn Levy (Stranger  ings,  Chance, auch das Buch noch lesen zu
          Nachts im Museum) schlüpften die  können, ohne sich zu langweilen. Gene-
          deutschen Schauspieler Louis Hofmann  rell sei den Fans des Romans geraten, für
          (Dark) und Lars Eidinger in die Rollen  Neues o en zu sein und nicht aufgrund
          von Werner und dem Edelstein-jagen-  diverser Änderungen enttäuscht. Denn
          den Nazi von Rumpel. Die Franzosen  „Alles Licht, das wir nicht sehen“ ist eine
          hingegen werden von US-Star Mark  spannende, unterhaltsame und – im
          Ru alo als Marie-Laures Vater und dem  Gegensatz zum Roman – sehr actionrei-
          Briten Hugh Laurie als Großonkel Eti-  che Mini-Serie. Für das Feingefühl des
          enne verkörpert. Ein beeindruckender  Buches bleibt da nicht ganz so viel Zeit.
          und tatsächlich sehr gut gewählter Cast.  Beide Werke sind gut, müssen aber eben
          Lars Eidingers wahnwitzigem Nazi zu-  jedes für sich betrachtet werden. Gerade
          zusehen, ist wie immer so verstörend  daran zeigt sich die Qualität der Vorlage,
          wie unterhaltsam, und, dass Größen  denn eine gute Geschichte mit guten Fi-
          wie Laurie und Ru alo in diesen Rollen  guren bleibt eine gute Geschichte, auch
          glänzen würden, war abzusehen. Beson-  wenn sie zugunsten des Mediums ver-
          ders hier ist, dass Net ix den nächsten  ändert wird. Sowohl das Buch als auch
          Schritt zum  ema „Diversity“ gegangen  die Serie hallen beide lange nach und
          ist und sowohl die sechsjährige als auch  bewirken auf  unterschiedliche  Weise,
          die jugendliche Marie-Laure mit tat-  dass man sich als Zuschauer am Ende
          sächlich blinden Schauspielerinnen be-  eines bewusst wird: wie unglaublich gut
          setzt hat. Beide beeindrucken sehr, die  es uns geht – und, dass dies keine Selbst-
          jüngere durch ihre unglaubliche Leich-  verständlichkeit ist. Wie aktuell die  e-
          tigkeit, die ältere besonders im Zusam-  matik des Sto s bei Erscheinen der Serie
          menspiel mit ihren Partnern Hofmann  sein würde, hat Net ix  sich zu Beginn
          und Laurie. Das Aufwachsen des jungen  der Produktion sicher nicht ausgemalt.
          Werners in Essen kommt leider kurz und  Ein  Grund  mehr,  sich  damit  auseinan-
          in Studioaufnahmen daher und die Ge-  derzusetzen.
                                                                                  Von oben: Ein beeindruckender inter-
                                                                                   nationaler Cast lässt die Figuren aus
                                                                                 „Alles Licht, das wir nicht sehen“ neun
                                                                                 Jahre nach Erscheinung des Romans in
                                                                                  der vierteiligen Netflix-Serie lebendig
                                                                                   werden. Die kleine Marie-Laure (Nell
                                                                                 Sutton) und ihr Vater (Marc Ru—alo) im
                                                                                Naturkundemuseum in Paris, Großonkel
                                                                                Etienne (Hugh Laurie) auf seinem Dach-
                                                                               boden, Marie-Laure als Jugendliche (Aria
                                                                                  Mia Loberti), Werner (Louis Hofmann)
                                                                                  mit einem seiner Radios, von Rumpel
 Louis Hofmann (Dark) und                                                         (Lars Eidinger) sucht verzweifelt den
 Regisseur Shawn Levy bei den                                                      Edelstein. Links: Die Deutschen mar-
 Dreharbeiten in der Kulisse des                                               schieren in Paris ein, Zeit für Marie-Laure
 zerbombten St. Malo                                                                       und ihren Vater zu fliehen.



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