Page 40 - EssenMagazin2021_02
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speicher platz satt















          Text: Nicola Schwedt | Fotos: Ralf Schultheiß
          Essen ist um eine Sehenswürdigkeit reicher. Nach coronabedingter
          Verschiebung  hat  seit  Juni  nun  endlich  das  neue  Schaudepot  des
          Ruhr Museums auf Zollverein geöffnet.


                                            ten zu kleben scheint, Großes erahnen.
                                            Unweigerlich geht der Blick nach oben,
                                            da kommt noch ‘was auf einen zu. Ein
                                            paar Schritte ums Eck in den Aufzug.
                                            Man muss oben anfangen.
                                            Wir drehen uns um, als der Lift sich in
                                            Bewegung setzt. Dass der Aufzug glä-
                                            sern ist, wird erst klar, als er die Beton-
                                            wand hinter sich lässt. Die volle Größe
                                            des Stahlbeton-Skeletts, durch das wir
                                            uns bewegen, offenbart sich hinter der
          Etruskischer Bucchero-Kantharos,   Glasscheibe. Unser Fahrstuhl bewegt
          Vulci, 630–575 v. Chr.            sich durch die Zeit. Wir lassen Relikte
                                            des Industriezeitalters unter uns, fah-
                                            ren an Unmengen Glasgefäßen, Stein-
          Erste Haarlocke, Milchzähne, Alben vol-  zeug, Waffen und so vielen Dingen vor-
          ler Fotos, der alte Schlitten, das Hoch-  bei, dass man sie unmöglich aufzählen
          zeitskleid – jeder Mensch sammelt in   kann. Angekommen zwischen Schä-
          seinem Leben Erinnerungsstücke. Spä-  delknochen prähistorischer Tiere und
          testens bei jedem Umzug stellt er dann   getrockneten Pflanzen, steigen wir aus.
          fest, dass all diese Erinnerungen ganze   Man könnte Stunden damit verbringen,
          Keller füllen und mehr. Das Ruhr Mu-  nur zu schauen und diesen unglaub-
          seum sammelt die Erinnerungen einer   lichen Raum auf sich wirken zu lassen.
          ganzen Region, und das nicht über die   Und da hat man noch gar nicht ange-
          Zeitspanne eines doch relativ kurzen   fangen, die Dinge zu betrachten, die da-
          Menschenlebens, sondern beginnend   rin untergebracht sind.
          Millionen Jahre bevor auch nur die   Nachdem die Salzfabrik ihre Produk-
          ersten Dinosaurier durchs Ruhrgebiet   tion Mitte der 1970er-Jahre eingestellt
          stampften. Welche Ausmaße und be-  hatte,  wurde  das  Gebäude  bereits  als
          eindruckende Vielfalt diese Sammlung
          mittlerweile angenommen hat, können
          Neugierige nun erstmals in vollem Um-                                 Marie Kondō für Fortgeschrittene, über
          fang erblicken.                                                       100 Jahre Sammlungsgeschichte sind
          Ein Gebäude auf der Kokerei Zollver-                                  hier inventarisiert und sortiert
          ein, von außen wenig spektakulär.                  Walzenspieler
          Der neue Schriftzug „Schaude-                         „Edison Home
          pot“  steht  in dicken schwarzen                      Phonograph“,
          Buchstaben  über  zwei  kleinen                         1904         Ersatzteil-Magazin  genutzt.  Durch
          Schaufenstern. Die ersten Pas-                                       seine Struktur wirkt dieser Raum wie
          santen drücken sich die Nase                                         ein gigantisches Regal, durch das
          platt und versuchen, einen Blick zu                                  man hindurchschauen kann. 25 Me-
          erhaschen. Der eröffnet sich aber so                                 ter tief und  18 Meter hoch erstrecken
          richtig erst, wenn man die ehe-                                      sich vertikale und horizontale Linien
          malige Salzfabrik betritt. Schon                                     aus  Beton,  die  Spuren  der  Industrie-
          im Eingangsbereich lassen die                                        produktion noch überall sichtbar. Die
          dicken Betonpfeiler, an denen                                        Architektur des Gebäudes spiegelt
          noch der Staub vergangener Zei-                                      über Tage wider, wie es unter Tage



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