Page 73 - Fotostadt Essen 2
P. 73

PANORAMA  (72)  FOTOSTADT ESSEN  PANORAMA                 (73)                                      FOTOSTADT ESSEN

 Arbeitsabläufe und Produktionsstätten,  ihr rasch der Neuanfang. Sie verlässt Köln
 setzt Firmenvorstände  repräsentativ in    und eröffnet ein neues Studio in Wiehl.
 Szene, fotografiert die Errungenschaften  In den 1960ern siedelt Hallensleben noch   Pionierarbeit: Es gelingt Hallensleben in den 1930er Jahren, schnell
 betrieblicher Sozialleistungen – Kinder-  einmal nach Wuppertal um.
 gärten, Freibäder, Büchereien – und geht   Ihre Arbeitsweise verändert sich über   Fuß zu fassen in einer schwer zugänglichen Männer- und Maschinenwelt.
 für den Bildband „Die tausend Hände des    die Jahrzehnte  wenig, aber die Arbeit an   Ihre kompositorisch klaren, technisch perfekten Aufnahmen von
 Bergmanns“ sogar unter  Tage.  Auftrag-  sich  verändert sich: Die Werkräume und   Zechenanlagen, Stahlwerken und Fabrikhallen werden trotz einer eher
 geber schätzen die kompositorische Klar-  Produktionshallen, die Hallensleben in
 heit der Bildgestaltung und die technisch  Szene setzt,  werden immer größer und   behutsamen Handschrift Klassiker der Industriefotografie.
 präzise  Arbeitsweise  Hallenslebens,  die  die Menschen an den Tastaturen und Ma-
 ihre Fotografie selbst vor allem als Hand-  schinenhebeln  werden immer mehr zu
 werk versteht.   Statisten einer sorgsam inszenierten Ar-
 Künstlerische Experimente, das stim-  beitswelt.  Hallenslebens Vorstellung  von
 mungsvolle Spiel mit Licht und Schatten,  wirklichkeitsgetreuer Wiedergabe bedingt,
 finden sich nur selten in den Bildern.    vor allem mit natürlichem Licht zu arbei-
 Hallenslebens  Aufnahmen sind sachlich,  ten. Durch den Einsatz von Stativ, kleiner
 nicht subjektiv. Jedes Ding und jeder  Blende und langer Belichtungszeit geraten
 Mensch hat seinen  vorgegebenen Platz,  die Aufnahmen entsprechend statisch.   In der Fertigung des Traktorenherstellers Lanz,
 funktioniert als Teil eines großen Ganzen.   Als der industrielle Wandel Fahrt auf-  Mannheim, 1939
 Ein  Gestaltungsprinzip,  das  irgendwie  nimmt, gerät die tradierte Darstellungs-  © RUTH HALLENSLEBEN/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM
 auch ins Bild der damaligen NS-Macht-  weise der Hallensleben-Bilder allmählich
 haber  passt.  Verschiedene  Aufnahmen  aus  dem  Blick.  1973  legt  sie  die  Kamera

 für Wehrwirtschaftsbetriebe und die NS-  endgültig zur Seite,  vier Jahre später
 Frauenschaft entstehen. Welcher politische  stirbt sie, unverheiratet und kinderlos,
 oder wirtschaftliche Druck dabei auf Hal-  mit 78 Jahren in Köln. Am Ende ist aus
 lensleben gelastet hat, bleibt Spekulation.  der Pionierin eine  wichtige Chronistin
 Im Grunde hat ihr sachlicher, distanzierter  der Arbeitswelt geworden und ihr immens
 Stil sowieso keinen Platz für Pathos und  vielfältiger Nachlass ein reiches Aufgaben-
 Überhöhung. Nach Kriegsende gelingt    feld für die Fotoarchivare.









































 Bild links:
 Produktaufnahme, ohne Ort, 1957
 © RUTH HALLENSLEBEN/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM

 Bild oben:
 Wäscherei im Wohlfahrtsgebäude für die
 Mitarbeiter der Zechen Minister Stein und
 Fürst Hardenberg in Dortmund-Eving, 1939   Radium Gummiwerke, Köln, 1954
 © RUTH HALLENSLEBEN/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM  © RUTH HALLENSLEBEN/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM
   68   69   70   71   72   73   74   75   76