Page 55 - Magazin Fotostadt
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VERNETZEN UND VERMITTELN (54) FOTOSTADT ESSEN VERNETZEN UND VERMITTELN (55) FOTOSTADT ESSEN
erzählen, nicht nur technisch in der Klischee- aber auch auf Einwohner:innen in den Elends- wartete sie oft stundenlang auf den einen, rich- Ausschließlich analog und in Schwarz- Szene Gesetzte. Ihr Werkzeug ist allein ihre Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie
herstellung tätig sein. Als Ende der 1960er die vierteln von Indien oder Südamerika. Ihre tigen Moment und hielt dabei zu den Prota- Weiß fotografiert Barbara Klemm. „Beim Kamera, kein künstliches Licht und kein Sta- in einer Rede als „Meisterin des richtigen Mo-
Student:innen in Frankfurt gegen das Esta- journalistischen Reisen führten sie häufig gonist:innen einen diskreten Abstand. Zu den Betrachten von Schwarz-Weiß-Aufnahmen tiv. So entstanden auch ihre vielen Porträt- ments“ und „Chronistin der Gesellschaft und
blishment protestieren, begleitete die Neu- nach Osteuropa und in die Sowjetunion, in die historischen Ereignissen, bei denen Klemm konzentriert man sich auf das, was man sieht. aufnahmen, darunter von Prominenten wie Geschichte unseres Landes“. Ihre dokumenta-
Frankfurterin die Demonstrationen an der USA, Kuba oder in den Iran. Dabei entstanden mit ihrer Kamera vor Ort war, zählt auch die Nichts lenkt vom Inhalt ab oder verschö- Joseph Beuys, Simone de Beauvoir oder Andy rische Arbeit wurde mit zahlreichen Preisen
Universität und in der Stadt mit ihrer Kamera. keine klassischen Postkartenmotive; Armut in Rede von Helmut Kohl vor den Trümmern der nert das Gezeigte“, findet sie. Bei Bildern in Warhol. Klemm: „Am liebsten habe ich mich honoriert, darunter der Erich-Salomon-Preis
Ihre Fotos von Steinwürfen und Wasserwer- der Welt ist ein zentrales Thema ihrer Reisere- Frauenkirche im Dezember 1989 in Dresden, Schwarz-Weiß trete zudem die Bedeutung von mit der Person für das Porträt allein getroffen, für Bildjournalismus, der Max-Beckmann-
fern, Demonstranten auf der einen und Poli- portagen. „Ich wollte etwas zeigen, was eigent- sechs Wochen nach dem Mauerfall. Damit das Licht und Schatten, Kontrasten und Formen ohne Redakteur, um sie in ein lockeres Ge- Preis der Stadt Frankfurt am Main oder der
zisten auf der anderen Seite machten nicht lich jeder sehen kann und oft übersieht und prägnante Bild, für das sie vier Stunden in der mehr in den Vordergrund. Sie träume sogar spräch zu verwickeln, damit die Person sich Leica Hall of Fame Award, den außer Klemm
nur das eigene Haus auf ihr fotografisches Ta- erst merkt, wenn er es sozusagen als Bild in Kälte auf einem Podest ausharrte, in Druck in Schwarz-Weiß, verriet sie am Rande einer ganz natürlich gibt und ich sie so zeigen kann, bisher keine andere Frau erhalten hat. 2010
lent aufmerksam, auch andere Zeitungen und der Zeitung sieht oder in einem Buch“, verrät gehen konnte, musste sie kreativ werden. Die Ausstellung 2016 in Stuttgart dem Institut für wie ich sie wahrnehme.“ wurde sie in den Orden Pour le mérite auf-
Magazine wollten Klemms Werke drucken. sie 2017 in einem Interview mit dem Deutsch- Filmrollen sollten noch am Abend nach Frank- Auslandsbeziehungen. Über eine Million Ne- Auch heute noch, 17 Jahre nach ihrer genommen – eine der höchsten Auszeichnun-
Das verschaffte ihr 1970 die Festanstellung bei landfunk. Ihren scharfen Blick legte sie in ih- furt – Klemm selbst musste aber in Dresden gative dürfte Barbara Klemm in ihrer Karriere Pensionierung, fotografiert Barbara Klemm gen in Deutschland für besondere Leistungen
der FAZ als Redaktionsfotografin mit Schwer- ren Werken immer auf den Menschen, egal ob bleiben. Also raste sie zum Bahnsteig, an dem produziert haben. Zu ihren Lieblingsporträts gerne, hauptsächlich Landschaften, aber auch in Kunst und Wissenschaft. Anfang November
punkt Politik und Feuilleton. mächtig oder arm, exzentrischer Weltstar oder der letzte Zug nach Frankfurt fuhr, und fragte zählt das Porträt ihres Vaters, aufgenommen manchmal Porträts – nach wie vor analog und zeichnet der Essener Folkwang-Museumsver-
„Ich wollte eine Geschichte erzählen, für mexikanische Straßenhändlerin. Empathisch, Passanten, ob sie ihre Filme für die Redaktion in seinem Künstleratelier im Jahr 1968. „Er selbstverständlich in Schwarz-Weiß. Viele ein ihr fotografisches Werk mit dem Inter-
die, die nicht dabei waren“, sagt sie über ihre sensibel und diskret ging die Bildjournalistin mitnehmen würden – mit Erfolg. Bescheiden hat mich gar nicht bemerkt, steht mit dem Fotobücher halten bisher Klemms Fotokunst nationalen Folkwang-Preis aus: Klemm habe
fotografische Leistung. Ihr Objektiv richte- bei ihrer Arbeit vor, nie voyeuristisch. Viele ih- und höflich spricht sie mit ruhiger Stimme Rücken zur Kamera und blickt aus dem Fens- für die Nachwelt fest, eine große Anzahl an dem politischen Handeln in Mitteleuropa
te Klemm in ihrer fotokünstlerischen Lauf- rer Fotografien wirken wie aus dem Augenwin- über ihre Arbeit, erinnert sich dabei noch sehr ter“, sagt sie. Das stille Bild hat seine eigene Einzelausstellungen in Museen adelten be- fotografische Denkmäler gesetzt und ein brei-
bahn auf politische Ereignisse, Staatsmänner, kel beobachtet, so als sei sie oft unbemerkt am präzise an all die Momente, die sie als Zeitzeu- Ästhetik und steht für ein wesentliches Merk- reits ihr fotografisches Lebenswerk. Als sie tes Publikum mit ihren einfühlsamen Porträts
Schauspieler:innen und Schriftsteller:innen, Ort des Geschehens dabei gewesen. Geduldig gin begleiten durfte. mal ihrer Fotografien – das Echte, nicht in 2019 ihren 80. Geburtstag feierte, bezeichnete sensibilisiert, so die Begründung.
Leonid Breschnew, Willy Brandt, Bonn, 1973 Demonstration gegen den Vietnam-Krieg, Frankfurt am Main, 1970
Viele ihrer Fotografien wirken wie aus dem Augenwinkel beobachtet, so als „Ich wollte eine Geschichte erzählen, für die, die nicht dabei waren.“
sei sie oft unbemerkt am Ort des Geschehens gewesen – wie bei dem ersten Die eindrucksvollen Fotos der Demonstrationen in Frankfurt am Main ver-
Aufeinandertreffen von Willy Brandt und Leonid Breschnew im Jahr 1973. schafften ihr 1970 die Festanstellung bei der FAZ als Redaktionsfotografin.