Page 82 - Essener Stadtmagazin_3_2025
P. 82

O
       LIFESTYLE






















                                                                               Stadtentwicklung trifft Nachtkultur
                                                                               Die Innenstadt – sein zentrales Einsatz-
                                                                               gebiet – ist auch ein besonders komplexer
                                                                               Raum. Hier treffen Wohnen, Arbeiten und
                                                                               Ausgehen direkt aufeinander. Konflikte ent-
                                                                               stehen, wenn etwa ein Biergarten neben ein
                                                                               frisch saniertes Wohnhaus zieht.
                                                                               „Frühzeitiges Gespräch ist entscheidend“,
                                                                               sagt Schindler-Schulze. Mediation statt Es-
                                                        Stefan Schindler-      kalation ist die Devise – mit Politik, Inves-
                                                        Schulze wird von       tor*innen und Szeneakteur*innen. Lang-
                                                        den Clubbetreibern     fristig geht es darum, wie Innenstadt künftig
                                                        auch „Nachtbürger-     funktioniert – auch in der Nacht.
                                                        meister“ genannt.      Zudem soll sich das Bild der Innenstadt
                                                                               wandeln: weg vom Angstraum, hin zu einem
                                                                               sicheren, lebendigen Ort. Wie das funk-
                                                                               tionieren kann: z. B. mit smarten Beleuch-
          Im Fokus steht die Innenstadt: Kreative Zwischennutzungen, bessere Infrastruktur, mehr   tungskonzepten, sicheren Aufenthaltsorten
          Sicherheit und Awareness-Konzepte sollen neue Impulse setzen. Auch Themen wie Be-  und einem optimierten Mobilitätsmix.
          leuchtung, Mobilität und Sauberkeit spielen eine wichtige Rolle.     Vernetzt mit anderen Städten
          Schindler-Schulze bringt umfassende Erfahrung aus dem Kulturamt der Stadt mit. Nun will   Mut macht ihm der Austausch mit Kol-
          er diese in die Nachtkultur einbringen. Nach den ersten Monaten stellt sich die Frage: Wie   leg*innen aus anderen Städten. In der IG
          ist der Einstieg verlaufen, was wurde angestoßen – und wo liegen die Herausforderungen?  Nachtkonsil – einem bundesweiten Netz-
          Kein Job fürs Feiern                                                 werk von Nightlife-Koordinator*innen –
          Der Einstieg verlief ruhiger als gedacht. Anfangs gab es Missverständnisse – viele hielten   werden regelmäßig Erfahrungen geteilt.
          ihn für jemanden, der „beruflich feiern geht“. Doch in Wirklichkeit geht es um Koordina-  „Viele Herausforderungen sind ähnlich. Oft
          tion: „Ich bin seit 25 Jahren in der Verwaltung, ich weiß, was sperrig ist“, sagt er. Vieles   finden sich Lösungen, auf die wir aufbauen
          musste erst erklärt werden.                                          können.“
          Der Titel „Nachtbürgermeister“ kann täuschen: Die Stelle entstand während der Corona-  Seine Vision: weniger Clubschließungen,
          Zeit, als Feiern ins Freie verlagert wurden und es in Parks zu Konflikten kam. Die Stadt   mehr  Unterstützung  für  bestehende  Orte,
          wollte vermitteln statt verbieten – und suchte ein Modell, das Brücken schlägt zwischen   mehr Sichtbarkeit für die Nachtkultur. „Ich
          Szene, Verwaltung und  Öffentlichkeit. Schindler-Schulze  arbeitet eng mit dem Bereich   wäre zufrieden, wenn wir das Bestehende
          „Recht, Sicherheit und Ordnung“ zusammen, ist aber in der Kulturverwaltung angesiedelt.   stabilisieren, das Sicherheitsgefühl verbes-
          Er versteht das Nachtleben als Teil urbaner Kultur: „Clubs und Bars sind nicht nur Frei-  sern und junge Menschen wieder stärker
          zeitangebote, sondern auch Arbeitgeber, Wirtschaftsfaktor und Standortvorteil – gerade für   erreichen.“
          junge Menschen und auch für Fachkräfte.“                             Denn Nachtleben ist mehr als Party – es ist
          Zwischen Vernetzung und Vertrauen                                    Teil der Stadtgesellschaft. Dass Essen die-
          Ein zentraler Aspekt seiner Arbeit ist die Vernetzung – sowohl lokal als auch bundesweit.   sen Weg geht, ist für ihn ein wichtiges Sig-
          In Essen trifft er Clubbetreiber*innen, hört zu, erklärt seine Rolle. Viele begrüßen die neue   nal: „Es geht um Orte, die verbinden – und
          Aufmerksamkeit seitens der Stadt. Andere reagieren skeptisch – die Sorge: mehr Bürokra-  Leben in die Stadt bringen.“
          tie, neue Auflagen.
          Ein wichtiges Thema ist Awareness – der bewusste Umgang mit Sicherheit und Diskriminie-
          rung in Clubs. „Das kommt nicht von mir, sondern von jungen Besucher*innen. Wer keine
          sicheren Räume schafft, verliert Publikum.“
          Ein Meilenstein ist für September geplant: Ein Netzwerktreffen mit den Nachtbürgermeis-
          ter*innen aus NRW und der LiveInitiative NRW e. V. (LINA), die die Club- und Musikszene
          vertritt. Ziel ist, Best-Practice-Beispiele auszutauschen und eine gemeinsame Stimme für
          die Szene zu formen.


    | 82 |
   77   78   79   80   81   82   83   84