Page 28 - Essener Stadtmagazin_1_2025
P. 28
ZU HAUSE IN ESSEN
Es ist ein Nachmittag im Winter. Nicht die Männchen hineinmalen. „Dafür bin ich mehr auf seine Arbeit konzentrieren. So
wildromantische Variante mit verzaubern- meiner Kunstlehrerin bis heute dankbar“, wird der Montag zum „Katholikentag“ an
den Schneeflocken, eher das Essener Mo- grinst er verschmitzt. Nach dem Abi leis- dem die frommen Bilder entstehen. Dann
dell: Regen, der in Glockenstricken zu Bo- tet er Zivildienst und beginnt ein Studium kommen Fachzeitschriften und Einzel-
den platscht. Es ist dunkel. Tropfend trete der Geschichte und Germanistik auf Lehr- aufträge. Seine ersten politischen Werke
ich durch die sich öffnende Tür hinein. Der amt. „Ich hatte damals nicht die Kühnheit erscheinen in der taz. Mit Jörg Bartel als
Hausflur, hell und warm, Kinderwagen, zu glauben, dass ich mit der Zeichnerei Kulturredakteur gesellt sich die NRZ dazu.
ausgezogene Schuhe, Leben. Eine Stimme irgendwann Geld würde verdienen kön- Auch die Werdener Nachrichten druckten
ruft mich nach ganz oben. Unterm Dach nen.“ Doch dann wird ihm klar, dass er regelmäßig seine Werke ab. Zwei bis drei
betrete ich das Studio von Thomas Plaß- trotz allem nicht Lehrer werden will. „Ich politische Karikaturen erstellt er täglich
mann. Seit Jahren zählt er, vielfach ausge- dachte, wenn ich jetzt nicht aufhöre, komm und sendet sie an seine Redaktionen, die
zeichnet, zu den renommiertesten Karika- ich da nie mehr wieder raus.“ Also bricht er dann ihre Auswahl treffen. Am späteren
turisten Deutschlands. Seine Zeichnungen ab. Um Restaurator zu werden, beginnt er Vormittag, wenn sich die Nachrichtenlage
sind jeden Tag in der Zeitung zu sehen. eine Lehre als Schreiner, doch der Meister zu verdichten beginnt, sucht er im ersten
Hier am prominentesten in der NRZ, aber erkrankt und muss den Betrieb aufgeben. Schritt seine Themen aus. Dabei gibt es die
auch auf Spiegel Online, in Nürnberger Gezeichnet hat Thomas Plaßmann im- tagesaktuellen und die Langzeitthemen,
und Berliner Zeitung, Frankfurter Rund- mer, während des Studiums, während der wie Klimakrise oder Ukrainekrieg. „Da ist
schau und vielen mehr. Sein Stil unver- Ausbildung. Ob die Zeichnerei doch eine es schwieriger, immer wieder einen neu-
kennbar. Er selbst eher der ruhige Typ, Option wäre? Mittlerweile ist er verheira- en Zugang zu finden.“ Der zweite Schritt
im schwarzen Rollkragenpulli. Das Studio tet. Seine Frau ist Bewegungstherapeutin ist immer die Fragestellung: „Was machst
um ihn herum ist groß und hell, eine Mi- an Förderschulen. „Meine Gattin war so du jetzt damit, wo willst du damit hin?“,
schung aus warmem Holzfußboden und freundlich, mir zu sagen: ‚Wenn du es pro- erklärt er. Als drittes muss ein geeignetes
schauerromantischen Requisiten. Kohle- bieren willst, probier es doch!‘“ Doch die Bild, eine geeignete Szene gefunden wer-
und Tuschezeichnungen hängen an den Kunstakademie in Düsseldorf lehnt ihn den, die das Thema in möglichst wenigen
Wänden, Bücherregale, Raben in Bild und ab. Seine Zeichnungen sind zu comichaft, Strichen transportiert. „Dabei frage ich
ausgestopft. Ein paar Knochen liegen auf das ist nicht künstlerisch genug. Egal! Zu mich immer zuerst, wie kannst du das, was
der Anrichte. Theaterplakate mit Toten- Beginn sind seine Werke noch freie Car- da auf der politischen Bühne passiert, in
köpfen, gegenüber ein Dürer-Selbstbildnis toons, nicht politisch. „Da weder mein den Alltag übersetzen, spürbar werden las-
im Pelzrock, dazu eine E-Gitarre und ein Vater noch mein Onkel Herausgeber einer sen, dass Politik nicht im luftleeren Raum
Fitnessgerät. Auszeichnungen stehen ver- großen Zeitung waren, musste ich sehen, passiert, sondern ganz konkret unser aller
sprengt auf dem Sideboard, neben der Tür wie ich klarkomme.“ Ein Fachmagazin na- Lebenswirklichkeit mitbestimmt.“ So sucht
hängt ein eingesargter Putin mit der Bild- mens „Gefährliche Ladung“, das sich mit er Alltagsszenen, die dies deutlich werden
unterschrift „Alles geht vorüber“. Den hat Gefahrentransporten beschäftigt, beauf- lassen. Aber natürlich finden auch Politi-
er selbst gezeichnet. „Ein wenig Memento tragt ihn schließlich mit einem wieder- ker und Prominente ihren Platz in seinen
Mori schadet nicht“, lächelt Thomas Plaß- kehrenden Cartoonstrip. Plaßmann erfin- Arbeiten, wobei der Leser diese dann auch
mann schulterzuckend, während ich die- det „Dieter Danger“. Auch das „Ruhrwort“, erkennen sollte. „Das muss man als politi-
sen Raum auf mich wirken lasse, der trotz die damalige Zeitung des Bistums Essen, scher Zeichner schon leisten können,
aller Erinnerung an die eigene Sterblich- ist mutig und probiert eine Karikatur aus. sonst hat man seinen Beruf verfehlt.“ Wie
keit sehr lebendig wirkt. In der Mitte des „Witzmännchen gehen nicht“, heißt es zu- weit man bei all dem gehen darf? „Jeman-
freundlich morbiden Ensembles steht ein nächst intern. Schließlich erhält er doch den scharf angehen und kritisieren ist ok“,
großer Schreibtisch mit Mac, Tuschefäss- die Zustimmung. „Wenn es einem gelingt, überlegt er, „aber ich würde niemandem
chen und allerlei Schreibutensil. Hier ent- zu zeigen, dass man das Thema versteht, ist seine Würde nehmen.“ Wenn er seine Sze-
stehen also die Karikaturen, die wir jeden das etwas ganz anderes, als wenn jemand ne gefunden hat, folgt schließlich der letzte
Tag sehen, die uns zum Schmunzeln brin- von außen einfach draufhaut“, erklärt Plaß- Schritt, das Ganze auf Papier zu bringen.
gen, zum Nachdenken oder Schlucken. So mann. So werden Arbeiten zu kirchlichen Klassisch mit Feder und Tusche zeichnet
viele Zeichnungen die Menschen im Lauf und religiösen Themen für lange Zeit ein er auf Papier, nicht am Rechner. Bis 15 Uhr
der Jahre von Thomas Plaßmann gesehen Schwerpunkt seiner Arbeit. Und Dieter müssen die Karikaturen fertig sein und in
haben, so wenige Gedanken haben sie sich Danger ist auch nach über 30 Jahren noch die Redaktionen. Heute geht das schnell,
im Zweifel über den Menschen dahinter aktiv. Dennoch muss Plaßmann zunächst früher musste er sie vorbeibringen. Wenn
gemacht. In Nachbarländern wie Frank- Klinken putzen und Redaktionen finden. er die politischen Karikaturen für den Tag
reich oder Belgien haben Comics und Ka- „Es war schon hilfreich, dass meine Frau fertig hat, arbeitet er die anderen Aufträge
rikaturen einen anderen Stellenwert, dort eine Festanstellung hatte“, erinnert er sich ab. Ambitionen, hier wegzugehen, hatte er
sind die Zeichner berühmt. „Ich wollte dankbar. Er leistete derweil Pionierarbeit nie. „Essen ist Heimat!“, sagt er nüchtern,
eigentlich Restaurator werden“, erklärt er. zu Hause, kümmerte sich neben dem aber überzeugend. „Man kann hier gut le-
Aber es kam anders. Doch von vorne. Tho- Zeichnen als Hausmann um die Kinder. ben.“ Und das tut er offensichtlich.
mas Plaßmann wird 1960 in Essen geboren. Ende der 1980er-Jahre war er damit ziem-
„Schon im Kindergarten habe ich lieber licher Exot und musste sich von gestande- Ausstellung Thomas Plaßmann
gemalt als mit Bauklötzen zu spielen“, er- nen Müttern kopfschüttelnd sagen lassen, „Einfälle“ Karikaturen und Komisches
innert er sich. Er geht zum Gymnasium in was alles nicht geht und wie „mann“ es Acryl — noch bis 26.03.
Werden. Hier darf er im Kunstunterricht, richtig mache. Als die drei Kinder in Kin- Kunstwerden, Ruhrtalstraße 19
Hier verbringt er seine Arbeitstage: Thomas Plaßmann in seinem Studio wenn alle Farbflächen malen müssen, dergarten und Schule gehen, kann er sich Künstlergespräch 02.03., 16.00 Uhr
| 29 |
| 28 |
| 28 | | 29 |