Page 63 - Essen_Magazin_2024_04
P. 63
ESSEN
ES
SEN
KULTUR
Trotz der großen Kulisse des Vatikans ist das Eingesperrtsein von Kardinal Lawrence (Ralph Fiennes, r.) und Kollegen immer spürbar
treten, wie bei jeder politischen Wahl auch, Die Choreogra en der alternden Herren in
die Erzkonservativen gegen die Liberalen Kutten vor altehrwürdiger Architektur wir-
an, wird überlegt, ob es schon Zeit für einen ken immer dann wunderbar absurd und
farbigen Kandidaten ist. Brisante und uni- anachronistisch, wenn moderne Elemente,
verselle emen, die dieser Tage höchst wie elektrische Rollos oder Schlüsselkar-
aktuell sind. Edward Berger siedelt seinen ten unvermittelt in dieser archaischen Welt
Film dabei komplett im Inneren an. Genau auftauchen. Schönstes Bild dieser Art ist die
wie Kardinal Lawrence ist der Zuschau- von Isabella Rosselini angeführte Heerschar
er vom Moment des Gebets am Sterbebett an Nonnen, die die Handys und Tablets der
des toten Papstes eingeschlossen. Nur kurz Kardinäle bei der Ankunft in Gefrierbeuteln Vertraute: Kardinal Lawrence (Ralph
begleitet die Kamera den dahingeschie- verpackt einschließt. Die Frauen hier sind Fiennes) und Kardinal Bellini (Stanley Tucci)
denen Papst bei seinem unglamourösen natürlich ausschließlich dazu gut, die Her-
Abtransport, bevor die Vorbereitungen für ren zu bekochen und zu bedienen. Dafür, und durchgehend aufgebauten Spannung
das Konklave beginnen und sich die Tü- dass diese antiquierte Rollenverteilung und ein wenig sehr vom Zeitgeist geprägt. Den
ren schließen. In großartigen, zentralper- Weltanschauung in der katholischen Kirche dramaturgisch immer exakt eingesetzten
spektivischen Bildern beschwört Berger die genauso bleibt, ist das italienische Lager Soundtrack liefert erneut Komponist Vol-
Unausweichlichkeit der Situation trotz der um Kardinal Tedesco. Kardinal Bellini, en- ker Bertelmann, der schon für „Im Westen
eigentlichen Größe des Gebäudes herauf. ger Vertrauter des toten Papstes und Freund nichts Neues“ mit dem Oscar ausgezeichnet
Zuweilen kommt er in seiner Inszenierung von Konklave-Organisator Kardinal Law- wurde. „Konklave“ wird auditiv neben der
dabei so nah an die Kubrickschen Bilder rence stellt den modernen Gegenpol dar. Musik, die hier vornehmlich aus Streichins-
des Hotels aus „Shining“, dass man fast da- Mehr und mehr kleine Intrigen entspin- trumenten besteht, über weite Teile nur von
rauf wartet, dass Blut durch die Flure ießt. nen sich, und obwohl Kardinal Lawrence Dialogen und einem grandiosen Soundde-
eigentlich gar nicht zum Ermittler werden sign getragen. Allein dieses verlangt schon
will, muss er doch den Geheimnissen, die neben der visuellen Gestaltung das An-
zutage gefördert werden, nachgehen, um sehen des Films im Kino. Alles zusammen
das geeignete Oberhaupt zu nden, das den ist „Konklave“ äußerst spannende Unter-
Erfolg der katholischen Kirche auch in Zu- haltung in stark inszenierten Bildern und SUPPORTER
kunft sichern soll. Ralph Fiennes spielt die- mit einem großartigen Ensemble. Ab 21.
sen unsicheren und unfreiwilligen Kardinal November im Kino.
mit gewohnt minimalistisch nuanciertem
Können. Oft verweilt die Kamera lange auf EMG-Filmexpertin
seinem Gesicht, in dem sich fast nichts tut Nicola Schwedt reali-
und doch spricht es Bände. Neben ihm be- siert alle touristischen
eindruckt Stanley Tucci, der als Kardinal Filmprojekte der Stadt
ohne eigene Ambitionen unerwartet ziel- Essen. Sie gehört zum
strebig ist. Überraschenderweise lässt die Team des Snowdance
Geschichte die großen Kirchenskandale der Independent Film Festivals, das seit
jüngeren Zeit weitgehend außen vor und 2023 in Essen stattfindet, und küm-
bietet stattdessen einen klassischen riller, mert sich als Partnerin der Film- und
Einzige wirkliche Frauenrolle: Isabella wie sie selten im Kino geworden sind. Ein- Medienstiftung NRW um Film- und
Rosselini als Schwester Agnes zig die Au ösung wirkt nach der sorgfältig Fernsehproduktionen in Essen.
| 6
3 |
| 62 | | 63 |
| 62 |
2024-139-038_EMG CityIllu_Anzeige ESSEN Stadtmagazin_A4_erweitert_RZ.indd 1 24.10.24 14:52