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ZU HAUSE IN ESSEN
DAS „Hier überlegst du dir bei jedem Privatwohnung nach Hause, son- dem Kennedyplatz zu sitzen, das fehlt wusste sie nicht, was das ist. Sie kann-
te nur das Wort Achterbahn. Seitdem
dern eigentlich immer durch die City
Einkauf, ob du wirklich noch mehr
mir“, ergänzt Pari. „Wegen des Lock-
spazieren wir nur noch über den Ach-
brauchst“, Sharyar (44) lacht, während
downs geht das schon so lange nicht
zum Büro und Atelier der Eltern ins
WOHNZIMMER er sich die 72 Treppenstufen hoch in Deutschlandhaus. Leben und Arbei- mehr. In der Innenstadt unterwegs zu terbahn-Platz“, erklärt Mutter Azadeh
den vierten Stock quält. „Das ist mein
sein, ist mehr als nur der Weg nach
mit einem Lächeln. Und vom Burg-
ten sind bei der Familie fest mit dem
tägliches Sportprogramm, 10 Kilo sind
Hause oder zum Atelier von Papa.“
platz aus schlendern die vier dann
IM schon runter. Ich esse und koche ein- „In der Innenstadt ist Auch für Vater Sharyar ist die Innen- durch ihre Innenstadt, mit einem klei-
fach zu gern, das ist eine meiner Lei-
nen Schlenker durch den Dom zum
stadt etwas Besonderes: „Einer meiner
Lieblingsorte ist der Burgplatz mit sei-
immer was los.“
Atelier und Büro – dem Wohnzimmer
denschaften.“ Wenn es nach seiner
DEUTSCH- Frau Azadeh (42) geht, kann er das Azadeh Azdhari (42) nen architektonischen Gegensätzen. im Deutschlandhaus.
Auf der einen Seite hast du den his-
auch ziemlich gut: „Wenn es richtig
gut schmecken soll, kocht er.“ „Oder
torischen Dom und der anderen Seite
INNENSTADT
die gläserne Volkshochschule.“ Und
ich“, wirft die kleine Pania ein – mit
LANDHAUS! acht Jahren ist sie die Jüngste und Zentrum von Essen verbunden. „Wir hier steht immer die Achterbahn“, ruft Gemeinsam gehts von der Wohnung zum Einwohnerzahl: 4019, Größe: 0,9 km²
Lage: Im Zentrum der Stadt
Pania. Alle lachen! „Pania liebt das
Quirligste im Hause Azdhari. Pari (14)
Ruhepol: Kreuzgang am Dom
lieben es laut und wuselig“, schwärmt
ist zu Beginn unseres Besuchs ruhiger,
cooler und hält sich noch etwas zu- Mutter Azadeh. „Jaaaa, im Café auf Riesenrad. Als sie noch kleiner war, Deutschlandhaus
Familie Azdhari lebt und ar- rück. Als Jugendliche kamen Sharyar
beitet in der Innenstadt. Sie und Azadeh nach Deutschland. Aus
lieben das Laute und Leben- dem Iran flüchteten die Eltern unter
anderem aufgrund des zunehmenden
dige am Leben im Zentrum. Fundamentalismus, wie beide sagen.
„Das war das Beste, was uns passieren
konnte“, berichtet Sharyar mit einem
Strahlen auf dem Gesicht. „Essen ist
unsere Heimat, hier ziehen wir nicht
weg, auch wenn wir jetzt ein Grund-
stück suchen, um uns ein eigenes
Haus zu bauen.“ Sharyar und Azadeh
sind studierte Architekten und arbei-
ten gemeinsam in ihrem eigentlichen
„Wohnzimmer“, dem Deutschland-
haus. Dort vereinen sich Büro und
Atelier, denn Sharyar ist unter dem
Label S-Art auch als Pop-Art-Künstler
bekannt. „Wir haben hier super viel
Platz, machen unsere Hausaufgaben
oder hängen ab“, sagt Pari. Sie geht auf
die Frida-Levy-Gesamtschule in der
Innenstadt, Pania auf die Münster-
In ihrem Wohnzimmer sind die Azdharis schule – auch nicht weit entfernt vom
kaum. Nur abends, dann gehört das ge- Wohnort im Schatten des Rathauses.
meinsame Serien-Gucken zum Ritual. Trotzdem führt der Weg selten in die
Abstecher über den Burgplatz. Im März lädt das Farbenspiel zum spontanen Selfie ein. Der Kreuzgang am Dom – eine Oase der Ruhe mitten in der Innenstadt
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