Page 6 - Essen.Informiert Ausgabe Mai 2023
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              Essen.Informiert                  Stadtentwicklung                                                        Mai 2023





































       Die Corona-Pandemie verlangte Kindern und Jugendlichen viel ab. Die Folgen sind noch immer spürbar. Neben den motorischen Fähigkeiten litten vor allem die Sprachkenntnisse und der
       Wortschatz. Der Nachholbedarf ist groß. Eine weitere Förderung nötig.                            Foto: Elke Brochhagen/Stadt Essen
      Die Beherrschung der Sprache ist der Schlüssel zu allem


       Corona-Pandemie und die Folgekrisen haben Spuren bei Kindern und Jugendlichen hinterlassen

       Die Corona-Pandemie hat bei Kindern und Ju-  Lauterbach. Denn ein  Lernfortschritte bis 2022       dern nötig. „Einmal pro
       gendlichen Spuren hinterlassen: Da sind sich  Allheilmittel sei das  langsamer als vor Pandemie    Woche 45 Minuten
       die Ärztinnen Dr. Frederike Rubbert-Lauterbach  nicht gewesen und ver-                             beim Logopäden sind
       und Sigrun Friedrich vom Gesundheitsamt der  weist darauf, wie ent-                                gut , reichen aber bei
       Stadt Essen einig. Folgen wie Gewichtszunah-  wicklungsfördernd  Die Lernfortschritte während der Corona-  weitem nicht aus, wenn
       men lägen statistisch über das Stadtgebiet hin-  handschriftliche Schrift  Pandemie haben sich insgesamt erheblich  die Familie nicht mit
       weg im Vergleich zu Vor-Corona zwischen ein  ist. Problematisch wur-  verlangsamt, belegen Studien. Die  eingebunden werden
       bis drei Prozent höher. Beim Blick in die Stadt-  de es dort, wo mehrere  Schülerinnen und Schüler verloren über alle  kann. Die Beherrschung
       teile zeigt sich, dass Kinder in Bezirken mit  Kinder im Haushalt  Klassenstufen hinweg insgesamt 35 Prozent  der Sprache ist der
       mehr Grün, Spielflächen und einem höheren  wohnen. „Das führte  des Lernfortschritts eines normalen  Schlüssel für jedwede
       Bildungsniveau mehr Möglichkeiten hatten, die  häufig dann zum Streit  Schuljahres.                Bildung.“ Gerade die
       Beeinträchtigungen durch Corona auszuglei-  unter den Kindern,                                     kleinen Kinder wollen
       chen.                                   wenn nicht alle ein Ta-                                    eigentlich lernen und
       Während der Pandemie verzeichnen die Ärz-  blet in der Schule bekamen und die Verfügbar-  seien eifrig dabei.
       tinnen einen Bewegungsmangel, der bei vielen  keit nicht immer gewährleistet war.“  Nach der Pandemie ist nicht nur die deutliche
       Kleinen zu Entwicklungsverzögerungen führte.  Das bestätigten auch Bildungsforscher, wie  Zunahme der emotionalen Probleme der Kin-
       Es fehlten unter anderem die Angebote der  Prof. Dr. Klaus Zehrer, Universität Augsburg, für  der- und Jugendlichen zu sehen, gehäuft in
       Sportvereine, in den Kitas und Schulen. Die  den die Digitalisierung keineswegs der Retter  Form von Ängsten, Depression und Essstörun-
       Medizinerinnen plädieren dafür, mehr nieder-  in der Pandemie war. Wegen mangelnder Kon-  gen, sondern auch der frühere Beginn auffälli-
       schwellige Angebote (Sport im Park, Open Sun-  zepte sei teilweise das Gegenteil der Fall, da di-  gen Sozialverhaltens scheint sich darzustellen.
       day etc.) ganzjährig anzubieten.        gitale Medien häufig anders genutzt worden  Lehrende sowie Sonderpädagoginnen und Son-
       „Bewegung hat gerade in jungen Jahren auch  seien als erwünscht. „Die Sprachkompetenz hat  derpädagogen werden häufiger auch schon

       „Bewegung hat immer auch                sich durch die Pandemie in Essen stadtweit um  von kleinen Erstklässlern gebissen und getreten
                                                                                        als das für Fachfremde vorstellbar ist. Die
                                               sechs Prozent vermindert“, sagt Dr. Rubbert-
       etwas mit Lernen zu tun“                Lauterbach. Das sei auch eine Folge von über-  Gründe sind vielfältig. Sprachbarrieren, Bewe-
                                               mäßigem Medienkonsum und verminderter    gungsmangel, aber auch Überforderung durch
       immer etwas mit Lernen zu tun und fördert die  Kommunikation. „Es gibt Kinder, die in  nicht altersgerechte Mediennutzung, ungeübte
       Gesundheit. Deswegen sind Sportstätten gera-  Deutschland geboren worden sind, die aber bei  soziale Fähigkeiten, unzureichende familiäre
       de in den Kitas sowie den Grund- und Haupt-  der Schuleingangsuntersuchung kaum Deutsch  Strukturen, um nur einige zu nennen, stellen
       schulen besonders wichtig, auch um gesund-  sprechen“, weiß die Medizinerin aus Erfahrung.  hohe Anforderungen an Familien und Gesell-
       heitliche Spätfolgen zu vermeiden, deren Be-  Das notwendige „Sprachbad“ in den Kitas,  schaft. Hinzukommen die momentan großen
       handlung dann sehr viel teurer wird“, betonen  wünschenswerterweise sechs bis acht Stunden  gesellschaftlichen Belastungen wie Pandemie-
       die Ärztinnen.                          täglich, sei bei den Kindern ohne Kindergarten-  Folgen, Inflation, Krisen und Krieg und die dar-
       Auch ein hoher Medienkonsum kann Überge-  platz ausgeblieben bzw. bereits erworbene  aus resultierende Unsicherheit mit Zukunfts-
       wicht fördern. Während der Pandemie stieg die  Kenntnisse durch Kita-Schließungen wieder  ängsten unter denen Familien leiden.
       Mediennutzung bis zu 52 Prozent im Vergleich  abhandengekommen. „Dabei ist die Mehrspra-  Fazit: Eine enge Vernetzung und gute Zusam-
       zu vor der Pandemie an, zeigen Studien. „Viele  chigkeit für die Kinder eigentlich kein Problem  menarbeit aller Akteurinnen und Akteure sind
       Eltern waren deswegen nicht gerade glücklich,  und im weiteren Verlauf der Schul- und Be-  dringender als je zuvor nötig. Die Schwächsten
       dass die Kinder wegen des virtuellen Unter-  rufskarriere oftmals sogar ein Vorteil.“ Inzwi-  der Gesellschaft haben die größten Nachteile
       richts iPads erhalten haben“, sagt Dr. Rubbert-  schen sei eine Sprachförderung bei vielen Kin-  zu tragen bzw. für die Schwächsten der Gesell-
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