Page 3 - Magazin Fotostadt
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(3)                                             FOTOSTADT ESSEN

        Liebe Leserin,




        lieber Leser,







                                                           erinnern Sie sich, was Albert Einstein zu seinem berühmten Zungenfoto gesagt hat?
                                                           Nein? Keine Sorge, das wissen die meisten nicht. Aber jeder kennt das Bild des Genies,
                                                           das im Bildgedächtnis der Welt verankert ist.
                                                               Fotografie vermag vieles: Sie erweckt Gefühle, ist Kommunikationsmittel, künst-
                                                           lerischer Ausdruck, provoziert, schafft Nähe. Sofort, instinktiv – Bilder treffen ins
                                                           Herz. Bei guten Fotos muss man hinsehen, sie beschäftigen einen, sie erzählen Ge-
                                                           schichten. Fotografie ist Magie. Neurowissenschaftler erklären uns das mit unserem
                                                           urältesten Reptil-Gedächtnis, das schon da war, bevor Sprache entstand. Das bedeu-
                                                           tet: Bevor der Mensch etwas in Worte fassen kann, sprechen Bilder mehr als tausend
                                                           Worte. Auch heute noch.
                                                               „Den Beginn der Fotografie und die Stadt Essen verbindet ungefähr die gleiche
                                                           Zeit. Vor etwa 180 Jahren, genau 1839, legte ein Mann namens Louis Daguerre eine
                                                           Erfindung vor, die erstmals mit der Bezeichnung ‚Photographie‘ beschrieben wird.
       © FOTO: RALF SCHULTHEISS                            eigentlichen Sinne. Die Industrialisierung brachte zahlreiche grundlegende Techno-
                                                           Das Jahr 1838 wiederum markiert auch die Entstehung des Reviers im Ruhrgebiet im
                                                           logien hervor. Das damals neue Medium Fotografie ging damit Hand in Hand.“ So
                                                           beschreibt es Dr. Sigrid Schneider, die sich auf Entdeckungsreise ins Archiv des Ruhr
                                                           Museums begab („Guckloch der Geschichte“, S. 48). Prof. Dr. Steffen Siegel von der
                                                           Folkwang Universität der Künste präsentiert uns eine weitere Perle: Die vielleicht
                                                           älteste Fotografie wird indes dem Erfinder Nicéphore Niépce zugeschrieben, entstan-
                                                           den in den 1820er Jahren. Dies inspirierte Student David Müller zu der Bauzaun-Auf-
                                                           nahme, bei der er Niépces Arbeit zitiert: Titelbild dieses Magazins.
        Thomas Kufen                                           „Fotos kamen flächendeckend, pausenlos und von allen Seiten zum Einsatz – keine
        Oberbürgermeister                                  deutsche Region dürfte in den letzten 150 Jahren gründlicher ins Bild gesetzt worden
        der Stadt Essen                                    sein als das Ruhrgebiet“, resümiert Schneider: Dort fanden sich von Anfang an Foto-
                                                           grafen und Auftraggeber, Firmen  wie Krupp,  Thyssen oder Haniel erkannten sehr
                                                           schnell das Potenzial des neuen Mediums und nutzten es systematisch für ihre Zwe-
                                                           cke. Für zahlreiche, heute weltberühmte Fotograf:innen wurde die Region zur Inspira-
                                                           tionsquelle. Es entstanden umfassende Archive mit Abermillionen von Bilddokumen-
                                                           ten, von der Industriefotografie bis zur internationalen Kunst.
                                                               Heute ist Essen mit seinen renommierten Institutionen, deren Archiven und
                                                           Sammlungen, Wissenschaftler:innen und Künstler:innen ein Zentrum der Fotografie
                                                           mit weltweiter Strahlkraft. Da sind u. a. das Museum Folkwang, die Folkwang Uni-
                                                           versität der Künste, das Historische Archiv Krupp, das Ruhr Museum und ihre weit-
                                                           gefächerten Aktivitäten – geballte Expertise in Forschung und Lehre, Bewahrung
                                                           und Sammlung.
                                                               Wir möchten in Essen auch weiterhin das kulturelle Erbe der Fotografie schüt-
                                                           zen,  zeitgenössische  Fotografie  und  deren  Schöpfer:innen  fördern  sowie  Zentrum
                                                           und Heimat für ein gesamtdeutsches Bildgedächtnis sein. Deshalb machen wir uns
                                                           für ein zentrales, lebendiges und international bedeutendes Bundesinstitut für Foto-
                                                           grafie in Essen stark, das inspiriert, zum nationalen und internationalen Austausch
        P.S.: Um die Einstein-Frage aufzulösen:            anregt und Standards setzt.
        Es ist der 14. März 1951 und Albert Einstein
        hat Geburtstag, er wird 72. Er arbeitet am         Einen Einblick in die facettenreichen Aktivitäten
        „Institute for Advanced Study“ in Princeton,
        New Jersey. In dem Forschungszentrum               der Fotostadt Essen gibt Ihnen unser vorliegendes Magazin.
        hat man ihm zu Ehren eine Feier ausgerichtet.
        Paparazzi bedrängten den weltberühmten
        Professor um geistreiche Bonmots.                  Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Entdecken,
        Albert Einstein ist genervt und müde von den
        ganzen Festtagsreden. „Es ist genug, es ist
        genug ...“, soll er den aufdringlichen Reportern
        immer wieder zugerufen haben, die nicht von
        ihm abließen. Dann schließlich sein wortloser
        Kommentar: Er streckte ihnen die Zunge raus.       Thomas Kufen
        Dieser Schnappschuss heute ikonisch.               Oberbürgermeister der Stadt Essen
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