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In unserer Serie „Zu Hause in Essen“ stellen wir Ihnen in jeder Ausgabe ausgewählte Essener Stadt-
          teile vor. Und dies anhand von den Menschen, die dort leben, arbeiten und ihre Heimat gefunden
          haben. So wie  orsten Teriete aus dem Ostviertel, dem Besitzer der Kult-Kneipe „Panoptikum“.

          Texte: Ina Will | Fotos: Ralf Schultheiß



                                                                               nehmen die Kult-Kneipe. Hatte Teriete
                                                                               bereits unter Janowitz schon ein paar Än-
                                                                               derungen vorgenommen, kommen mit
                                                                               der Zeit noch weitere hinzu. Bei der Deko
          Wenn man auf  der Schützenbahn  kurz                                 und der Inneneinrichtung belässt er es
          hinter dem Viehofer Platz nach rechts                                zum Großteil bei der urigen Atmosphäre
          abbiegt, führt die Straße zu einem Ort,                              eines 90er-Jahre-Wohnzimmers, inklusi-
          der wie kaum ein weiterer im Ostviertel                              ve Ledersofa und gelben Wänden. Dafür
          Geschichte atmet: der Gerlingplatz. Hier                             erneuert er nahezu die gesamte Elektrik.
          fand Ende Juni 1933 unter den National-                              Und auch die sanitären Anlagen bedürfen
          sozialisten die größte Bücherverbren-                                einer Generalüberholung. Bei all den
          nung in Essen statt. Ein schwarzes Kapitel                           Umbauarbeiten  kann  Teriete auf  seine
          der Stadt und des ganzen Landes. Bereits                             polnische Großfamilie zählen. Allen vor-
          ein paar Wochen zuvor wird an der Ecke                               an sein Vater und einige seiner Cousins.
          des Platzes das bei homosexuellen Män-                               Sie reisen ein paar Tage vom Niederrhein
          nern und Frauen beliebte Tanzlokal „Es-                              an und bringen mit ihm alles auf Vorder-
          sener Eldorado“ geschlossen. Angesiedelt                             mann. Zudem nimmt er einige Neuerun-
          in den Räumlichkeiten des roten Back-                                gen an der Karte und dem Konzept vor.
          steinbaus,  in  denen  seit  1978 das  „Pan-                         Aber immer mit viel Fingerspitzengefühl.
          optikum“ beheimatet ist. Die Gastro-Ge-                              Denn der 41-jährige will seine Stamm-
          schichte des Eckhauses geht sogar noch   Ein Bier in Ehren kann keiner verwehren:   kundschaft nicht vergraulen. Und davon
          weiter zurück, so ist die erste Schank-Li-  „Mücke“-Geschäftsführer Dennis Pfahl (l.)   hat  die  Kneipe  reichlich.  „Es gibt  eine
          zenz auf das Jahr 1892 datiert. „Der Holz-  und Thorsten Teriete vor der Kult-Kneipe  Stammtischgruppe, die kommt seit über
          boden, auf dem ihr steht, stammt sogar                               vierzig Jahren hierhin. Länger, als ich auf
          noch aus dieser Zeit“, klärt uns  orsten   folgt die erste Probeschicht und bereits   der Welt bin. Die sitzen jede Woche an
          Teriete bei unserem Tre en im „Panopti-  nach drei Monaten erhält er die Schlüssel   demselben Platz und bestellen jede Wo-
          kum“ auf – und dies mit Stolz, aber auch   zur Kneipe. Parallel zum Kellnern führt   che das gleiche Essen,“ freut sich Teriete.
          Demut in der Stimme. Denn der 41-jährige   Teriete sein Geschichtsstudium fort und   Oder Frank-Walther, der von allen nur
          Wahl-Essener weiß, dass er, gemessen an   macht sich – je mehr es sich dem Ende   Otto genannt wird. Er kommt mehrmals
          der Historie der Kneipe, noch nicht lang   zuneigt – immer stärker Gedanken, was   die Woche ins „Panoptikum“, um an der
          die Geschicke des Hauses leitet. Im Jahr   er im Anschluss machen möchte. „Mit    eke sein Pils zu trinken. Immer an der
          2008 kommt Teriete nach einem erfolg-  dem Magister in der Tasche hätte ich zum   gleichen Stelle. Ihm zu Ehren wurde dort
          reich abgeschlossenen Biologiestudium   Beispiel im Archiv arbeiten können. Ich   vor Jahren eine Plakette mit der Aufschrift
          in Düsseldorf zum Geschichts- und Phi-  mein, ich liebe Geschichte sehr, aber ich   „Otto sein Platz“ angebracht. Die Stamm-
          losophie-Studium nach Essen. Hier stößt   bin ein extrem extrovertierter Typ und   kunden sind mit dem „Pano“, wie es von
          er auf eine Annonce „Das Panoptikum   brauche den Kontakt und den Austausch   ihnen und  orsten liebevoll genannt
          sucht  ekenkraft mit Erfahrung“. Er   mit Menschen.“ Da passt es nur zu gut,   wird, zusammen älter geworden. Um wei-
          muss immer noch schmunzeln, wenn er   dass Janowitz zu der Zeit ankündigt, kür-  tere und auch jüngere Gäste zu erreichen,
          daran zurückdenkt. „Ich muss zugeben,   zer treten zu wollen, um langsam aber   etabliert der Wahl-Essener Veranstaltun-
          mir sagte der Name damals gar nichts,   sicher die Geschäftsführung des „Pan-  gen, wie den Quiz-Montag – mittlerweile
          aber ich hatte Bock und genug  eken-  optikums“ abzugeben. Er fragt Teriete,   legendär und zum Teil  gefürchtet, auf-
          erfahrung.“ Denn bereits als Jugendlicher   ob er sich vorstellen könne, diese Aufga-  grund der herausfordernden Geschichts-
          kellnert Teriete in seiner Heimat Rhede   be zu übernehmen. Dieser sagt sofort zu   Fragen von Teriete – den Karaoke-Abend
          am Niederrhein und  nanziert sich spä-  und fragt zudem den langjährigen Koch   an jedem letzten Samstag im Monat, den
          ter so auch das Studium. Er bewirbt sich   des „Panoptikums“, Patrick „Paddy“ Pic-   irsty  ursday oder den Cocktail-Mitt-
 Seit 2018 Besitzer   auf die Anzeige und Ingo Janowitz, der   cinelli, ob er sein Kompagnon werden   woch. Dieser ist vor allem bei den Stu-
 des „Panoptikums“:   bis dahin schon langjährige Besitzer des   möchte. Paddy muss nicht lange über-  dentinnen und Studenten gefragt, da es
 Thorsten Teriete   „Panoptikums“, lädt ihn zu einem Vorstel-  legen und schlägt ein. 2018 ist es dann   an dem Abend alle Cocktails zu Preisen
          lungsgespräch ein. Wenige Tage später   wirklich soweit und die beiden über-  gibt, die selbst das manchmal etwas lee-


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