Page 9 - Essen_Magazin_2023_01
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KULTUR


                                                                               Der Hügel – am Pförtner vorbei ö net
                                                                               sich der Weg zum großen Herrenhaus,
                                                                               zurück bleibt aller Trubel der Stadt.
                                                                               Schnell umschließen einen 28 Hekt-
                                                                               ar Parkanlage und mit ihr eine immer
                                                                               wieder beeindruckende Ruhe. Auf die-
                                                                               ser Fahrt und beim Blick auf die heran-
                                                                               nahende Villa stellt sich unweigerlich
                                                                               ein Gefühl des Erhabenen ein, das spä-
                                                                               testens beim Betreten der Eingangshal-
                                                                               le und dem ersten Schritt auf die alten,
                                                                               auf Hochglanz gebohnerten Holzdielen
                                                                               allumfassend wird. Der Geruch von
                                                                               nunmehr 150 Jahren Geschichte liegt
                                                                               hier in der Luft.
                                                                               Dass dieser Ort gescha en wurde,
                                                                               um zu repräsentieren, ist leicht zu be-
                                                                               greifen.  Dass eine Familie  hier  gelebt
                                                                               hat und hier zu Hause gewesen ist, ist
                                                                               schwer  vorstellbar.  Und  doch  ließ  Alf-
                                                                               red Krupp dieses Einfamilienhaus mit
                                                                               269  Zimmern  –  so  steht  es  im  Grund-
                                                                               buch – errichten, um mit seiner Fami-
                                                                               lie darin zu wohnen. Er nannte es den
                                                                               „Comfort der kleinen Häuslichkeit“. Mit
                                                                               seinen eigenen Bauplänen und Vorstel-
                                                                               lungen jagte er einige Architekten in die
                                                                               Flucht, bevor der Bau beginnen konnte.
                                                                               Und auch seine Begeisterung für den
                                                                               Einbau modernster Technik fand nicht
                                                                               in jeder Hinsicht den Gefallen der Fa-
                                                                               milie. War der Kaiser bei seinen Besu-
                                                                               chen ganz begeistert vom  ießenden
                                                                               warmen Wasser, das er selbst bis dato
                                                                               nicht hatte, so sorgen doch die ganzen
                                                                               Luftschächte der ersten „Klimaanla-
                                                                               ge“ bis heute dafür, dass es im ganzen
                                                                               Haus zieht und sich Gerüche auf wun-
                                                                               dersame Weise verteilen. Doch die uns
                                                                               heute so vertraute Optik der Innenein-
                                                                               richtung entspricht nicht mehr der ur-
                                                                               sprünglichen aus Alfred Krupps Zeiten,
                                                                               jede neue Generation der Familie hat
                                                                               das  Haus  nach ihren eigenen  Vorstel-
                                                                               lungen umgestaltet.
                                                                               150 Jahre sind seit dem Einzug der
                                                                               ersten  Krupps  in  die Villa vergangen.
                                                                               Grund für die Stiftung, ein Jahr voller
                                                                               Feierlichkeiten und Premieren auszu-
                                                                               rufen. Manche der Projekte und Vor-
                                                                               haben mögen überraschen, aber alle
                                                                               wahren den Charakter des Hauses, das
                                                                               nach wie vor in erster Linie das private
                                                                               Zuhause einer  Familie  ist, auch  wenn
                                                                               diese nicht mehr darin wohnt. Ganz wie
                                                                               in alten Zeiten wird hoher Besuch er-
 Violinist William Lane beim                                                   wartet, Bundespräsident Frank-Walter
 Dreh der Videoarbeit                                                          Steinmeier höchstpersönlich erö net
 „Heterophony: July 1896“                                                      den Jubiläumsreigen. Etwas unerwar-
 von Samson Young                                                              teter, großartiger Besuch kommt dann
                                                                               im Sommer, wenn Helge Schneider



                                                                                                                 | 9 |
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