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JUNG IN ESSENSEN
 JUNG IN ES



























 Szenenbild aus „Gianni Schicchi“ mit Paul auf der großen Bühne

 seinem Plan einverstanden ist, dass er   seine Ausbildung nicht darunter leidet.
 seinen gesamten Besitz einem Kloster   Normalerweise probt der Kinderchor
 vererbt, kommen sie auf eine verrück-  ein- bis zweimal pro Woche. Jetzt, in
 te Idee. Da noch keiner weiß, dass der   der Woche vor der Premiere, probt Paul
 Mann gestorben ist, verkleidet sich   jeden Abend. Am Donnerstag ist dann
 Gianni Schicchi als dieser und schreibt   noch die Generalprobe, wo alles genau-
 ein neues Testament, das besagt, dass   so passiert wie später bei der richtigen
 Familie und Dorfbewohner sein Ver-  Au ührung. Am Freitag hat er einen
 mögen  erben  sollen.  Paul  spielt  dabei   Tag Pause. Und am Samstag ist der gro-
 einen Jungen namens Gherardino, er ist   ße Tag. Dann sitzen 750 Menschen im
 der Sohn des Ne en des Verstorbenen.  Publikum und schauen ihm zu – eigent-
 „Gianni Schicchi“ ist bereits die vierte   lich wären es viel mehr, aber wegen
 Oper, in der Paul mitwirkt. Als er durch-  Corona dürfen nicht alle Plätze besetzt
 zählt, fällt ihm auf, dass er bislang nur   sein.
 in Stücken von Puccini mitgemacht   „Ich hab die Opern, die ich alle gespielt
 hat. Er stand schon in „Turandot“, „La   hab, vorher noch nie gesehen“, gibt Paul
 Bohème“ und in „Tosca“ auf der Büh-  zu, „um ehrlich zu sein, ich war vor-
 ne. Aber jetzt hat er zum ersten Mal   her noch nie in einer Oper.“ Er macht
 einen eigenen Gesangspart. Ob er auf-  einfach mit, weil es ihm Spaß macht.
 geregt ist, ganz allein auf der Bühne zu   Manchmal, wenn er nur am Anfang in
 singen? „Ein bisschen schon“, sagt er.   einer Oper auftritt, setzt er sich hinter-
 „Aber  man  muss  ein  bisschen  nervös   her in den Zuschauerraum und guckt
 sein, das ist gut, dann ist man besser“,   sich den Rest an. „Ich mag fast alles an
 weiß er genau. Und auf die Frage, was   Musik“, erzählt er, „Klassik, Rock, Pop,
 überwiegt, die Nervosität oder die Vor-  Elektro. Im Moment höre ich meis-
 freude, antwortet er wie aus der Pistole   tens Jazz.“ Dabei ist er der erste in der
 geschossen: „Die Vorfreude!“, und da-  Familie, der auch selbst Musik macht,
 bei blitzen seine Augen. Ganz klar, Paul   Instrumente  spielt  und  singt.  Sein  Va-
 ist für die Bühne gemacht. Mit der glei-  ter gibt lachend zu: „Ich bin nur passiv
 chen Gelassenheit, mit der er die Inter-  musikalisch. Ich habe eine große Plat-
 viewfragen beantwortet, wird er später   tensammlung.“ Auch beru ich haben
 auch auf die Bühne gehen. Aber noch   beide  Eltern  keine  Berührungspunkte
 muss er warten. Seine Oper ist schließ-  mit Musik. Papa Jörg ist Architekt und
 lich die letzte, die heute geprobt wird.   Mama Rohani Krankenschwester. Da-
 Sein Abend ist noch lang.  her sind sie mächtig stolz, dass ihre
 Damit er abends spät noch auf der Büh-  beiden Jungs im Aalto auf der Bühne
 ne  stehen  darf,  müssen  seine  Eltern   stehen.  Für Paul  ist  die  Opernkarrie-  Paul Henkel ist zu sehen in „Il Trittico“ –
 einmal im Jahr eine Genehmigung ein-  re bislang aber nur ein Hobby. Ob er     bestehend aus: „Il Tabarro“ (Der Mantel),
 holen, berichtet seine Mutter. Eine vom   später auch beru ich singen will, weiß   „Suor Angelica“ (Schwester Angelica)
 Kinderarzt, die sagt, dass er körperlich   er noch nicht. Er könnte sich auch gut            und „Gianni Schicchi“.
  t ist, und eine von der Schule, die be-  vorstellen, Raketenkonstrukteur zu   Termine: 02.03., 20.03., 31.03., 24.04., 15.06.
 scheinigt, dass er gute Noten hat und   werden.                                    Infos und Tickets: theater-essen.de



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